Ayesha - Sie kehrt zurück
die schlimmste Zeit unseres ganzen Lebens. Verglichen mit ihr waren unsere endlosen Wanderungen durch die Wüsten und den Schnee Zentralasiens Vergnügungsreisen, und unser Aufenthalt im Kloster jenseits der Berge ein paradiesischer Aufenthalt. Eine genaue Schilderung dieser Periode zu geben wäre sowohl langweilig, als auch sinnlos, deshalb will ich mich darauf beschränken, nur die wichtigsten Ereignisse zu schildern.
Am Morgen nach unserer Ankunft schickte uns Khania Atene zwei wunderbare weiße Vollblutpferde, und gegen Mittag holte sie uns zu einem Ausritt ab. Begleitet von einer Eskorte Soldaten ritten wir zunächst zu den Zwingern, in denen die Hunde des Todes gehalten wurden, große, gepflasterte Flächen hinter festen Gittern. Noch nie hatte ich so gewaltige Tiere gesehen. Die tibetanischen Doggen waren im Vergleich mit ihnen Schoßhündchen. Sie hatten ein glattes Fell von roter oder schwarzer Farbe, und Köpfe wie Bluthunde. Sobald sie uns kommen sahen, warfen sie sich heulend gegen die Gitter.
Diese Hunde wurden von Männern versorgt, in deren Familien dieses Amt vom Vater auf den Sohn überging, seit vielen Generationen. Die Tiere folgten ihren Wärtern und dem Khan aufs Wort, doch kein Fremder durfte sich ihnen nähern. Diese Bestien waren die Scharfrichter des Landes, denn ihnen wurden alle Mörder und anderen Verbrecher vorgeworfen, und mit ihnen jagte der Khan, wie wir selbst gesehen hatten, die Männer, die seinen Zorn erregt hatten. Außerdem wurden sie für die Jagd auf eine große Hirschart verwendet, die in einigen Wäldern und Sümpfen lebte. Aus diesem Grund verbreiteten sie Angst im Land, da kein Mensch wußte, ob am Ende nicht auch er von ihnen zerrissen und verschlungen werden würde. ›Vor die Hunde gehen‹ ist ein Ausdruck, der in jedem Land eine schlimme Bedeutung hat, in Kaloon aber war sie entsetzlich.
Nachdem wir, nicht ohne einen ahnungsvollen Schauder, die Hunde betrachtet hatten, ritten wir auf der Stadtmauer um Insel und Stadt herum. Die Krone der Stadtmauer war zu einer Art Boulevard ausgebaut worden, auf dem sich die Bevölkerung am Abend erging. Es gab jedoch nicht viel zu sehen, außer dem Fluß und der hinter ihm liegenden Ebene, und obwohl die Mauerkrone recht breit war, kamen wir immer wieder an Stellen, an denen wir sehr vorsichtig reiten mußten, da das Mauerwerk bröckelig und verfallen war.
Auch die Stadt selbst war wenig interessant, denn die meisten ihrer Einwohner hatten in irgendeiner Form mit dem Hof zu tun. Wir waren deshalb nicht traurig, als Khania ihr Pferd auf eine hohe Pfeilerbrücke lenkte und wir über den Fluß auf die Ebene hinüberritten. Von dieser Brücke aus sollte ich dereinst einen der seltsamsten Anblicke erleben, die je einem Menschen zuteil wurden.
Hier, am anderen Ufer des Flusses, bot sich uns ein völlig anderes Bild. Wir waren jetzt unter Abkömmlingen der Ureinwohner dieses Landes, Bauern, die ihr Land bestellten und von ihm lebten. Jeder verfügbare Zoll des Bodens schien mit Hilfe eines wunderbaren Bewässerungssystems genutet zu werden. Wo das Land für natürliche Bewässerung zu hoch lag, wurde es durch Schöpfräder, die von Mulis betrieben wurden, emporgepumpt. Mehrfach sahen wir auch Frauen, die Wasser in Eimern, die sie an die Enden einer Stange gehängt hatten, auf die Felder trugen.
Leo fragte die Khania, was geschah, wenn es eine Mißernte gab. Sie antwortete grimmig, daß dann eine Hungersnot über das Land hereinbräche, in der Tausende von Menschen stürben, zumeist gefolgt von Seuchen. Diese Hungersnöte seien andererseits ein Segen, fuhr sie fort, denn ohne sie hätten die Menschen schon vor vielen Jahren sich gegenseitig abgeschlachtet wie hungrige Ratten, da das Land trotz seiner Größe zu klein war, um die ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren.
»Wird die Ernte in diesem Jahr gut werden?« fragte ich.
»Man fürchtet, nein«, antwortete sie, »denn der Fluß führt zu wenig Wasser für diese Jahreszeit, und es ist auch wenig Regen gefallen. Außerdem hält man das Licht, das gestern aus dem Feuerberg geleuchtet hat, für ein böses Omen, das bedeute, daß der Geist des Berges zornig ist und eine Dürre über das Land kommen wird. Laßt uns hoffen, daß sie nicht auch behaupten, sie würde von den Fremden verursacht, die ins Land gekommen sind und ihm Unglück bringen.«
»In diesem Fall«, sagte Leo lachend, »bliebe uns nichts anderes übrig, als zum Berg zu fliehen und dort Asyl zu suchen.«
»Willst
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