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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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ich Leo bewachte.
    Doch ich bemerkte, daß ihre Leidenschaft auf keinen Fall abgeklungen war; im Gegenteil, sie wurde von Tag zu Tag stärker, wie die Hitze glühender Lavamassen im Innern eines Vulkans, und sehr bald mußte es zu einer Eruption kommen. Das Omen dafür konnte ich an ihren Augen, ihren Worten und ihren Gesten ablesen.

10
     
    Im Gemach des Schamanen
     
     
    Eines Abends bat uns Simbri, mit ihm in seiner Wohnung zu speisen. Sie befand sich im höchsten Turm des Palastes und sollte für uns zu einem schicksalhaften Ort werden, denn ihn hatte das Schicksal zum Schauplatz des letzten Aktes dieses gewaltigen Dramas bestimmt. Ohne jede Vorahnung in dieser Hinsicht nahmen wir die Einladung mit Freuden an, da uns jede Abwechslung mehr als willkommen war.
    Als wir gegessen hatten, wurde Leo sehr nachdenklich, und schließlich sagte er: »Freund Simbri, ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten: Benutze deinen Einfluß auf die Khania, daß sie uns gehen läßt.«
    Das Gesicht des alten Schamanen wurde zu einer Elfenbeinmaske. »Darum solltest du die Lady besser selbst bitten, Lord Leo. Ich glaube nicht, daß sie sie dir abschlagen wird.«
    »Wir wollen doch endlich aufhören, Theater zu spielen«, sagte Leo, »und uns die Tatsachen vor Augen halten. Ich habe den Eindruck, daß Khania Atene mit ihrem Mann nicht glücklich ist.«
    »Deine Augen sind scharf, Lord, und wer könnte behaupten, daß sie dich getrogen haben?«
    »Außerdem habe ich den Eindruck«, fuhr Leo fort, »daß sie die Güte hat, mich mit ... ah ... unverdientem Wohlwollen zu betrachten.«
    »Ah! Das mußt du im Torhaus erkannt haben, falls du nicht vergessen hast, was andere Männer ein Leben lang in ihrer Erinnerung behalten würden.«
    »Ich erinnere mich an gewisse Dinge, Simbri, die mit ihr und dir zu tun haben.«
    Der Schamane strich nur seinen schütteren Bart und sagte: »Fahre fort!«
    »Es gibt dazu kaum noch etwas zu sagen, Simbri, außer, daß ich nicht die Absicht habe, die erste Lady dieses Landes in einen Skandal zu verwickeln.«
    »Sehr nobel, Lord, sehr nobel. Doch hier zerbricht man sich über solche Dinge nicht den Kopf. Was wäre, wenn es sich ohne einen Skandal arrangieren ließe? Wenn die Khania sich entschließen würde, einen anderen Mann zu heiraten, wäre das für das ganze Land ein Grund zum Jubeln, denn sie ist der letzte Sproß der königlichen Linie.«
    »Wie kann sie einen anderen Mann heiraten, da sie doch verheiratet ist?«
    »Das ist eine Frage, die ich natürlich auch erwogen habe. Doch die Antwort ist, daß Menschen sterben. Das ist ihr Schicksal, und der Khan hat in letzter Zeit ziemlich viel getrunken.«
    »Du willst sagen, daß Menschen ermordet werden können«, sagte Leo aufgebracht. »Aber ich will nichts damit zu tun haben. Hast du mich verstanden?«
    Noch während er sprach, hörte ich ein leises Rascheln und wandte den Kopf. Hinter uns befand sich ein Vorhang, der den Raum abteilte, in dem der Schamane schlief und seine Voraussagen und Horoskope ausarbeitete. Jetzt war der Vorhang zur Seite gezogen, und in der Öffnung stand die Khania in ihrem königlichen Gewand, reglos wie eine Statue.
    »Wer war es, der von Mord gesprochen hat?« fragte sie mit eisiger Stimme. »Warst du es, Lord Leo?«
    Er stand auf und wandte sich ihr zu. »Lady, ich bin froh, daß du meine Worte gehört hast, selbst, wenn sie deinen Unmut auslösen sollten.«
    »Warum sollte es meinen Unmut auslösen, wenn ich erfahre, daß es wenigstens einen ehrlichen Menschen an meinem Hof gibt, der nichts mit einem Mord zu tun haben will? Nein, ich bewundere deine moralische Haltung. So wisse auch, daß ein so abscheulicher Gedanke mir nie in den Sinn gekommen ist. Und doch, Leo Vincey, was geschrieben steht – steht geschrieben.«
    »So ist es, Khania; doch was steht geschrieben?«
    »Sag es ihm, Schamane!«
    Jetzt trat Simbri hinter den Vorhang und kehrte mit einer Pergamentrolle zurück, von der er las: »Die Himmel haben durch untrügliche Zeichen kundgetan, daß der Khan Rassen vor dem nächsten neuen Mond tot sein wird; getötet von einem Fremden, der von jenseits der Berge in dieses Land kam.«
    »Dann haben die Himmel gelogen«, sagte Leo verächtlich.
    »Das magst du sehen, wie du willst«, antwortete Atene. »Aber so wird es geschehen, nicht durch meine Hand oder die meiner Diener, sondern durch deine.«
    »Warum durch meine? Warum nicht durch Hollys? Doch wenn es geschehen sollte, werde ich sicher von der trauernden

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