Ayesha - Sie kehrt zurück
Leichnam von Atenes Vater zur Bestattung dorthin bringen mußte, und ich warne euch, nicht euren Fuß in seine Tempel zu setzen.«
»Die wir nach den Worten deiner Herrin nie erreichen würden«, warf ich ein.
Und Leo sagte: »Wir danken dir für deine Warnung.« Dann wandte er sich an mich. »Horace, behalte die beiden im Auge, während ich das Pferd sattele. Ich traue ihnen nicht.«
Ich nahm den Speer in die unverletzte Hand, doch sie unternahmen nichts. Sie traten nur ein paar Schritte zurück und flüsterten hastig miteinander. Mir war klar, daß sie äußerst verstört waren. Wenig später war das Pferd gesattelt, und Leo half mir beim Aufsteigen. Dann sagte er: »Wir müssen den Weg gehen, den das Schicksal uns vorgezeichnet hat, wohin er auch führen mag. Doch bevor wir uns trennen, Khania, möchte ich mich für alle Freundlichkeiten bedanken, die du uns erwiesen hast und hoffe, daß du uns vergißt. Ohne eigene Schuld klebt das Blut deines Mannes an meinen Händen, und das allein trennt uns für immer. Wir sind durch die Tore von Tod und Schicksal voneinander getrennt. Geh zurück zu deinem Volk und verzeihe mir, daß ich dir, ohne es zu wollen, Zweifel und Sorge gebracht habe. Lebewohl.«
Sie hörte ihm mit gesenktem Kopf zu, dann sagte sie: »Ich danke dir für deine freundlichen Worte, Leo Vincey, doch so leicht trennen wir uns nicht. Du hast mich zum Berg gerufen, und selbst auf den Berg werde ich dir folgen. Ja, und dort werde ich seinen Geist treffen, wie es mir bestimmt wurde, und wie es mir der Schamane immer vorausgesagt hat. Ja, ich will meine Kraft und meine Magie mit der ihren messen, wie es mir vom Schicksal bestimmt worden ist. Dem Sieger soll dann die Krone zufallen, um die wir so lange gerungen haben.«
Nach diesen Worten sprang Atene in den Sattel, zog ihr Pferd herum und ritt zum Ufer zurück, gefolgt von Simbri, der seine knochigen Hände rang und mit vor Angst zitternder Stimme sagte: »Du hast den verbotenen Fluß betreten, Atene, und jetzt wird der Tag der Entscheidung über uns hereinbrechen – über alle, über sie und uns – jener vorbestimmte Tag von Krieg und Zerstörung.«
»Was meint er damit?« fragte mich Leo.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Doch ich bin sicher, daß wir es bald herausfinden werden, und daß es etwas ziemlich Unangenehmes sein wird. Aber jetzt wollen wir versuchen, durch diesen Fluß zu kommen.«
Während wir ihn durchquerten, dachte ich mehr als einmal daran, daß uns leicht auch der Tod durch Ertrinken ereilen könnte, denn stellenweise gab es starke Strömungen, die uns beinahe mit sich gerissen hätten. Doch Leo, der zu Fuß durch das Wasser ging und das Pferd des Khans am Zügel führte, tastete den Flußgrund mit dem Speerschaft ab, der ihm auch Halt gab, so daß wir schließlich sicher ans andere Ufer gelangten.
Dort stießen wir auf einen Streifen morastigen Bodens, der bei Hochwasser überschwemmt wurde. Wir durchquerten ihn, so rasch wir konnten, da wir fürchteten, die Khania sei zurückgeritten, um ihre Eskorte zu holen, die sie, unserer Vermutung nach, hinter dem Bergkamm zurückgelassen hatte, und daß sie bald mit den Männern zurückkehren würde, um uns zu jagen. Zu jener Zeit wußten wir noch nicht, daß der Fluß und das hinter ihm liegende Gebiet absolut tabu waren und von niemandem betreten werden durften. Natürlich war es von den Heeren Kaloons in mehreren Kriegen betreten worden, doch diese Heere waren in jedem Fall vernichtet worden. Kein Wunder, daß die Menschen nun glaubten, das Feuerhaus stünde unter dem Schutz eines allmächtigen Geistes.
Als wir das Sumpfgebiet hinter uns gelassen hatten, erreichten wir eine kahle, leicht ansteigende Ebene, die zum Fuß des Berges hinaufführte, der drei bis vier Meilen entfernt war. Hier erwarteten wir in jeder Minute den Angriff der Wilden, von denen wir so viel gehört hatten, doch wir sahen keine lebende Seele. Die Ebene war eine Wüste, die von Felsstreifen durchzogen wurde, die einst flüssige Lava gewesen waren. An andere Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern, da der Schmerz in meinem Arm so heftig wurde, daß ich kein Auge für die Landschaft hatte. Die Ebene endete schließlich in einer flachen, kahlen Mulde, deren Boden mit Lava und Steintrümmern bedeckt war, die von Regen- oder Schmelzwasser von den Bergflanken herabgespült worden waren. Diese Mulde wurde an ihrem Ende von einer Klippe abgeschlossen, die etwa fünfzig Fuß hoch und, so weit wir sehen konnten,
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