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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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ohne Durchlaß war.
    Trotzdem stiegen wir in die tiefe Mulde hinab, die dunkel und ohne jede Vegetation war. Ihr unebener Lavaboden war, wie wir von weitem erkannten, mit einer Unzahl weißer Objekte gesprenkelt. Kurz darauf erreichten wir das erste und sahen, daß es ein menschliches Skelett war. Diese Mulde war ein wahrhaftiges Todestal mit vielen Tausenden von Skeletten, ein gigantischer Friedhof. Es sah aus, als ob eine ganze Armee hier zu Tode gekommen wäre.
    Später stellten wir fest, daß dies auch der Fall gewesen war, denn als bei einem der Einfälle in einem lange zurückliegenden Krieg das Heer Kaloons die Bergstämme angriff, wurden die Soldaten in diese Mulde gelockt und hier abgeschlachtet. Ihre Leichen wurden als Warnung für andere zurückgelassen. Zwischen diesen Skeletten zogen wir weiter und suchten nach einem Pfad, der auf die sperrende Klippe führte, und da wir keinen entdecken konnten, hielten wir schließlich an, weil wir nicht wußten, in welche Richtung wir uns wenden sollten. Und so kam es zu dem ersten seltsamen Erlebnis auf dem Berg.
    Die Mulde und ihre modernden Relikte hatten uns so deprimiert, daß wir sehr schweigsam waren, und, um ehrlich zu sein, auch Angst hatten. Ja, selbst das Pferd schien Angst zu haben, denn es schnaubte unruhig, ließ den Kopf hängen und zitterte. Unweit von uns lag ein Haufen von Knochen, die Reste von Menschen, die, tot oder lebend, von der Klippe herabgestürzt worden waren, und auf diesem Knochenberg lag etwas, das wir zunächst ebenfalls für Knochen hielten.
    »Wenn wir nicht bald einen Weg aus diesem Beinhaus finden, werden unsere Knochen wohl auch bald hier bleichen.«
    Während ich diese Worte sagte, hatte ich den Eindruck, als ob sich das, was auf dem Gipfel des Knochenhaufens lag, bewegte. Ich wandte mich um. Ja, es bewegte sich, richtete sich auf und kam auf uns zu. Eine menschliche Gestalt, anscheinend eine Frau – ich war mir dessen nicht sicher, weil sie von Kopf bis Fuß mit einem weißen Material umwickelt war, wie eine Mumie und ihr Gesicht mit einem Schleier verhängt war, oder besser, mit einer Maske, in die Augenlöcher geschnitten waren. Das Pferd scheute heftig, als es diese Erscheinung erblickte, und hätte mich um ein Haar abgeworfen. Als die Gestalt etwa zehn Schritte entfernt stehenblieb, winkte sie mit der Hand, die ebenfalls wie die einer Mumie weiß umwickelt war.
    »Was, zum Teufel, bist du?« rief Leo, und seine Stimme hallte schaurig von den kahlen Felsen wider. Doch die Gestalt antwortete nicht, sondern winkte nur mit ihrer umwickelten Hand.
    Leo trat auf sie zu, um sich zu überzeugen, daß wir nicht Opfer einer Halluzination waren. Als er näherkam, glitt die Gestalt zurück zu dem Knochenhaufen und blieb dort stehen, wie der Geist eines Toten, der sich aus dem Beinhaufen erhoben hatte, oder besser: wie ein umwickelter Leichnam, denn so sah sie aus. Leo folgte ihr, um sie zu berühren und sich von ihrer Realität zu überzeugen, doch als er auf Reichweite herangekommen war, hob die Gestalt ihren weiß umwickelten Arm und schlug ihm leicht vor die Brust. Leo taumelte rückwärts. Die Gestalt deutete zuerst auf den Gipfel des Berges und dann auf die Klippe, die uns den Weg versperrte.
    Leo kam zu mir zurück. »Was sollen wir tun?« fragte er.
    »Ihr folgen, denke ich. Sie könnte ein Bote von oben sein.« Ich deutete auf den Berggipfel.
    »Eher von unten, würde ich sagen«, murmelte Leo. »Mir gefällt das Aussehen dieses Führers nicht.«
    Trotzdem gab er der Kreatur mit der Hand ein Zeichen, voranzugehen. Anscheinend verstand sie das Zeichen, denn sie wandte sich nach links und suchte sich einen Weg zwischen Steinen und Skeletten. Wir folgten ihr eine Weile, bis wir einen schmalen Spalt in der Felswand erreichten. Wir hatten diesen Spalt schon vorher bemerkt, doch schien er in einer Tiefe von etwa dreißig Fuß zu Ende zu sein. Die Gestalt trat in den Spalt und verschwand darin.
    »Es muß ein Schatten sein«, sagte Leo.
    »Unsinn! Schatten schlagen einen nicht. Geh weiter!«
    Also führte er das Pferd in den Spalt, und wir stellten fest, daß er an seinem Ende einen scharfen Knick nach rechts machte, und dort stand die Gestalt und wartete auf uns. Sie ging weiter, und wir folgten ihr durch eine schmale Schlucht, in der es fast völlig dunkel war und in einer Höhle, die in den Felsen gehauen war, endete.
    Hier trat unser unheimlicher Führer auf uns zu, augenscheinlich mit der Absicht, unser Pferd am Zügel zu nehmen,

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