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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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dieses Ding die sein sollte, die wir suchten: Ayesha selbst? Warum zitterte ich bei dem Gedanken, da wir in diesem Fall doch unsere Suche beendet, unser Ziel erreicht hatten? Oh! Es war, weil um dieses Wesen etwas Unheimliches war, etwas Unmenschliches und Abstoßendes. Falls es Ayesha war, die in dieser Mumiengestalt lebte, so war es eine andere Ayesha als die, welche wir gekannt und verehrt hatten. Wie gut konnte ich mich an die stolze Gestalt erinnern, und wie lange, bevor sie uns ihr wunderbares Gesicht enthüllte, erahnten wir die Schönheit und die Majestät, die der Schleier barg.
    Doch was war mit dieser Kreatur? Ich wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen. Ich irrte mich, ich mußte mich irren. Sicher war sie das, als was der Priester Oros sie bezeichnet hatte: ein übernatürliches Wesen, dem besondere Kräfte verliehen worden waren, und wahrscheinlich war sie hergekommen, um uns zu beobachten und denen zu berichten, die ihr diese Kräfte verliehen hatten.
    Nachdem ich mich mit dieser Erklärung beruhigt hatte, schlief ich wieder ein, denn meine Müdigkeit war größer als alle Sorgen und Ängste. Am nächsten Morgen, als sie naturgemäß weniger drückend waren, entschied ich, aus verschiedenen Gründen, daß es klüger sei Leo nichts von meinen Beobachtungen zu sagen. Und ich hielt diesen Vorsatz auch ein und berichtete sie ihm erst mehrere Tage später.
    Als ich erwachte, fiel helles Tageslicht ins Zimmer, und ich sah den Priester Oros neben meinem Bett stehen. Ich setzte mich auf und fragte ihn, wie spät es sei, worauf er mir lächelnd, mit leiser Stimme antwortete; zwei Stunden vor Mittag, und daß er gekommen sei, um meinen gebrochenen Arm zu richten. Und nun sah ich auch, warum er so leise sprach, denn Leo schlief noch fest.
    »Lassen wir ihn schlafen«, sagte Oros, während er den Verband von meinem Arm löste, »er hat viel gelitten – und muß vielleicht noch mehr leiden«, sagte er hinzu.
    »Was willst du damit sagen, Freund Oros?« fragte ich scharf. »Du hast uns doch erklärt, daß wir auf diesem Berg in Sicherheit seien.«
    »Das stimmt, Freund ...« Er sah mich fragend an.
    »Holly ist mein Name.«
    »... Freund Holly, ich habe erklärt, daß eure Körper in Sicherheit seien, nicht mehr. Doch der Mensch besteht nicht nur aus Fleisch und Blut. Er ist auch Geist und Seele, und auch die können verletzt werden.«
    »Und wer könnte sie verletzen?« fragte ich.
    »Freund«, sagte er ernst, »du und dein Begleiter seid in ein verwunschenes Land gekommen. Nicht aus Zufall, denn sonst wärt ihr jetzt tot, sondern mit einem bestimmten Ziel, dem Bestreben, die Schleier von Geheimnissen zu lüften, die seit Jahrtausenden verborgen waren. Euer Ziel ist, wie du siehst, bekannt, und es ist sehr wohl möglich, daß ihr es erreicht. Doch wenn die Schleier gelüftet werden sollten, könntet ihr vielleicht etwas entdecken, das eure Seelen in Verzweiflung und Irrsinn stürzt. Hast du davor keine Angst?«
    »Etwas«, antwortete ich. »Doch mein Adoptivsohn und ich haben viele seltsame Dinge gesehen und überlebt. Wir sahen das Licht des Lebens majestätisch vorübergleiten; wir waren die Gäste einer Unsterblichen, und wir sahen, wie der Tod sie hinwegzuraffen schien und uns unberührt ließ. Glaubst du, daß wir jetzt zu Feiglingen geworden sind? Nein, wir werden unseren Weg zu Ende gehen und unser Schicksal erfüllen.«
    Oros zeigte sich ob dieser Worte weder neugierig noch überrascht; es war, als ob ich ihm nur etwas gesagt hätte, das er längst wußte.
    »Gut«, erwiderte er lächelnd und mit einem höflichen Senken seines glattrasierten Kopfes, »in einer Stunde werdet ihr weiterziehen – um euer Schicksal zu erfüllen. Ich habe dich gewarnt – vergib mir, doch das war mir befohlen worden, vielleicht, um dich auf die Probe zu stellen. Muß ich die Warnung auch deinem Freund ...« Wieder sah er mich fragend an.
    »Leo Vincey«, sagte ich.
    »Richtig, Leo Vincey«, wiederholte er, als ob ihm der Name bekannt sei und er ihn nur vergessen hätte. »Doch du hast meine Frage nicht beantwortet: Muß ich die Warnung auch deinem Freund wiederholen?«
    »Nein. Aber du kannst es tun, wenn du es für nötig hältst.«
    »Das tue ich nicht. Ich bin mit dir einer Meinung, daß es reine Zeitverschwendung wäre, denn – verzeih mir diesen Vergleich – woran sich der Wolf wagt ...« – und er sah mich dabei an –, »flieht der Tiger nicht«, mit einem Nicken in Leos Richtung. »Siehst du, wieviel besser

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