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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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endgültige Entscheidung noch ausstand, konnte dem Gerücht nichts von seiner beunruhigenden Wirkung nehmen - und doch ließen sich die unheimlichen Trommeln von gestern vernehmen, als ob die Feiernden einen besonderen Grund hätten, sich nicht darum zu kümmern, ob Streitkräfte des Römischen Volkes gegen sie marschierten oder nicht.
    Die Geräusche schwollen an, als wir in einer Schlucht aufwärts in die Berge marschierten. Bewaldete Steilhänge schlössen uns rechts und links ein, und im flackernden Licht unserer Fackeln zeigten sich merkwürdig phantastische Baumstämme. Wir waren alle zu Fuß unterwegs, mit Ausnahme von Libo, Balbutius, Asellius, zwei oder drei Zenturionen und mir selbst. Schließlich wurde der Pfad so steil und eng, daß die Berittenen gezwungen waren, die Pferde zurückzulassen. Eine Abteilung von zehn Mann wurde zu ihrer Bewachung abgestellt, obwohl es wenig wahrscheinlich war, daß in einer solchen Schreckensnacht Räuberbanden unterwegs waren. Ab und zu schien es, als verberge sich eine zusammengekauerte Gestalt in den nahen Wäldern. Nach halbstündigem Klettern machten Steilheit und Enge des Weges den Vormarsch einer so großen Truppe - zusammen insgesamt über 300 Mann -
    außergewöhnlich mühsam und beschwerlich.
    Dann, völlig überraschend und erschreckend plötzlich, hörten wir von unten einen furchtbaren Laut. Er stammte von den angepflockten Pferden - sie hatten gebrüllt... nicht gewiehert, sondern gebrüllt... und dort unten war kein Licht, auch nicht ein Geräusch von Menschen, das angezeigt hätte, warum sie gebrüllt hatten. Im selben Augenblick begannen auf allen Gipfeln Signalfeuer zu brennen, so daß das Grauen
    gleichermaßen vor wie hinter uns zu lauern schien. Als wir uns nach dem jungen Vercellius, unserem Führer, umblickten, entdeckten wir nur eine zusammengesunkene Gestalt, die in einer Blutlache lag. In der Hand hielt er ein Kurzschwert, das er aus dem Gürtel des D. Vinulanus, eines Subzenturions, gerissen hatte. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck von solchem Entsetzen, daß sogar die abgebrühtesten Veteranen bei diesem Anblick erbleichten. Er hatte sich selbst getötet, als die Pferde brüllten... er, der aus dieser Gegend stammte, sein ganzes Leben hier verbracht hatte und wußte, was man sich über die Berge zuflüsterte.
    Das Licht der Fackeln wurde schwächer, und die Schreie der in Furcht und Schrecken versetzten Legionäre mischten sich mit dem unaufhörlichen Gebrüll der angepflockten Pferde. Die Luft wurde merklich kälter, und zwar weit plötzlicher, als es Anfang November der Fall zu sein pflegt. Sie schien von entsetzlichen Wallungen aufgewirbelt zu werden, die ich nur mit dem Schlag riesiger Flügel in Verbindung bringen konnte. Die ganze Kohorte war wie festgebannt. Als das Licht der Fackeln abnahm, sah ich etwas, was ich für phantastische Schatten hielt, die sich am Himmel vor dem gespenstischen Leuchten der Via Lactea abzeichneten, dort wo sie durch Perseus, Cassiopeia, Cepheus und Cygnus floß.
    Plötzlich versanken alle Sterne am Himmel in Dunkelheit-selbst die hellen Deneb und Vega, und die einsamen Altair und Fomalhaut hinter uns. Als die Fackeln völlig erloschen, blieben über der schreckensstarren, brüllenden Kohorte nur die abscheulichen, grauenerregenden Altarflammen auf den hochragenden Gipfeln, höllenrot, vor denen sich jetzt die Umrisse der wahnsinnigen, ungeheuerlichen Gestalten namenloser hüpfender Untiere abzeichneten, von denen kein phrygischer Priester und keine campanische Großmutter je in ihren wildesten Geschichten geraunt haben.
    Und über dem Gebrüll von Mensch und Tier in der
    Dunkelheit schwoll das dämonische Trommeln laut an, während plötzlich ein eiskalter Wind mit entsetzlicher Lebhaftigkeit und Entschlossenheit von diesen unwirtlichen Höhen herabfuhr und jeden Mann einzeln umklammerte, bis die ganze Kohorte sich im Dunkeln wehrte und schrie, als müßte sie das Schicksal des Laokoon und seiner Söhne nachvollziehen.9 Nur der alte Scribonius Libo schien sich mit seinem Schicksal abzufinden. Er stieß unter all dem Gebrüll Worte hervor, die noch immer in meinen Ohren nachhallen. »Malibia vetus - malibia vetus est...
    venit... tandem venit...«10 Und dann wachte ich auf. Es war der lebhafteste Traum seit langem, der Quellen des Unbewußten erschloß, die seit langer Zeit unberührt und vergessen waren.
    Über das Schicksal jener Kohorte hat sich kein Bericht erhalten, zumindest aber wurde die Stadt gerettet

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