Azathoth - Vermischte Schriften
Wolltogen gekleidet - und Beimischungen von behelmten Legionären und in grobe Mäntel gekleidete, schwarzbärtige Stammesangehörige der ringsum siedelnden Vaskonen -, sie alle tummelten sich auf den wenigen gepflasterten Straßen und dem Forum, angetrieben von einer unbestimmten und unbenennbaren Besorgnis. Ich selbst war gerade aus einer Sänfte gestiegen, welche illyrische Träger ziemlich eilig aus Calagurris, von der anderen Seite des Iberus im Süden, hergetragen zu haben schienen. Es hatte den Anschein, als sei ich ein Provinzquästor namens L. Caelius Rufus, und als sei ich vom Prokonsul P.
Scribonius Libo hierherzitiert worden, der erst vor einigen Tagen aus Tarraco5 angekommen war. Bei den Soldaten handelte es sich um die fünfte Kohorte der XII. Legion unter dem Militärtribunen Sex. Asellius; und der Unterfeldherr des ganzen Gebietes, Cr. Balbutius, war ebenfalls aus Calagurris gekommen, dem ständigen Stationierungsort.
3 Mit dem Sieg des Augustus (d.h. Oktavians) über Antonius in der Schlacht von Aktium (z. September 31 v.Chr.) war praktisch das Ende der Republik gekommen, aber Augustus nahm den Titel Princeps erst am 16. Januar z 7 v.
Chr. an.
4 D.h. 31. Oktober, die Kalenden waren der Monatserste.
5 Das heutige Tarragona, ungefähr südlich von Barcelona an der Küste.
Die Sitzung war einberufen worden wegen des Schreckens, der die Berge in Bann schlug. Die Stadtbewohner wurden von Furcht gepeinigt und hatten um die Entsendung einer Kohorte aus Calagurris gebeten. Die entsetzliche Zeit des Herbstes war angebrochen, und das wilde Bergvolk traf Vorbereitungen für die grausigen Zeremonien, die in den Städten nur gerüchteweise bekannt waren. Es handelte sich um einen uralten Volksschlag, der weiter oben in den Bergen wohnte und eine abgehackte Sprache sprach, die den Vaskonen unverständlich war. Sie ließen sich selten sehen. Ein paarmal im Jahr jedoch sandten sie kleine gelbe, schielende Sendboten herab (die wie Skythen6
aussahen), um mit den Kaufleuten mittels Zeichensprache Handel zu treiben. Und jeden Frühling und Herbst hielten sie ihre berüchtigten Zeremonien auf den Gipfeln ab. Ihr Heulen und ihre Altarfeuer versetzten dann die Dörfer in Schrekken.
Immer dasselbe - die Nacht vor den Kaienden des Mai und die Nacht vor den Kaienden des November. Knapp vor diesen Nächten pflegten Stadtbewohner zu verschwinden, und man hörte nie mehr von ihnen. Und es liefen Gerüchte um, daß die einheimischen Hirten und Bauern dem uralten Volk nicht übel gesinnt waren - daß mehr als eine strohgedeckte Hütte an den beiden entsetzlichen Sabbaten vor Mitternacht leer stand.
In diesem Jahr war die Furcht größer als sonst, denn die Leute wußten, daß Pompelo den Zorn des uralten Volks erregt hatte.
Vor drei Monaten waren fünf der kleinen schielenden Händler von den Bergen herabgekommen, und bei einer Rauferei auf dem Markt waren drei von ihnen erschlagen worden. Die übrigen beiden waren wortlos in ihre Berge zurückgekehrt - und in diesem Herbst war kein einziger Dorfbewohner verschwunden. In dieser Ausnahme lag eine Bedrohung. Es sah dem uralten Volk überhaupt nicht ähnlich, am Sabbat seine 6 Das sind die Bewohner auf dem Gebiet der heutigen Krim und ihrer Umgebung, die seit der Zeit der Griechen (vgl. Herodot III. 1 ff.) für ihr Barbarentum bekannt waren.
Opfer zu verschonen. Das war zu schön, um normal zu sein, und die Dorfbewohner warteten in Angst und Schrecken.
Seit vielen Nächten war aus den Bergen ein dumpfes Trommeln zu hören gewesen, und schließlich hatte Tib.Annaes aus Stiipo (der halb eingeborener Abstammung war) zu Balbutius in Calagurris senden lassen, mit der Bitte um eine Kohorte, die dem Sabbat in der entsetzlichen Nacht ein Ende bereiten sollte. Balbutius hatte sich gedankenlos geweigert mit der Begründung, daß die Befürchtungen der Dorfbewohner grundlos waren und daß die schaurigen Riten der Bergbewohner römische Bürger nicht zu kümmern brauchten, solange die eigenen Leute nicht bedroht waren. Ich jedoch, der ich als enger Freund des Balbutius galt, konnte seine Meinung nicht teilen, denn ich behauptete, daß ich tief in die schwarze, verbotene Überlieferung eingedrungen war und daß ich das uralte Volk für imstande hielt, über die Stadt so gut wie jedes unsägliche Verhängnis zu bringen. Nicht zuletzt war die Stadt eine römische Siedlung mit einer großen Anzahl römischer Bürger.
Helvia, die leibliche Mutter des Beschwerde führenden Aedilen, war
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