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Azazel

Titel: Azazel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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sowie der Einfluß seiner Familie, dessen er sich ohne Zögern bediente, und die Tatsache, daß sein Onkel Bürgermeister von Queens war, verschaffte ihm eine Stelle bei der Polizei.
    Überraschenderweise war ihm kein Erfolg vergönnt. Seine Fähigkeit, aus Beweisen, die andere gesammelt hatten, unumstößliche logische Schlüsse zu ziehen, ohne auch nur seinen Sessel zu verlassen, war unübertroffen. Leider war er vollkommen unfähig, selbst Beweise zu sammeln.
    Er neigte in unfaßbarem Maße dazu, alles, was andere Leute ihm erzählten, für bare Münze zu nehmen. Jedes Alibi - ganz gleich wie fadenscheinig - stürzte ihn in Zweifel. Ein stadtbekannter Betrüger mußte ihm nur sein Ehrenwort geben, schon glaubte er alles, was er ihm erzählte.
    Das hatte sich bald so weit herumgesprochen, daß sich sämtliche Verbrecher - vom einfachsten Handtaschendieb bis zum höchsten Politiker oder Unternehmer - nur noch von Vandevater vernehmen lassen wollten.
    »Wir wollen Vandevater«, rieten sie.
    »Ihm werde ich alles erzählen«, sagte der Taschendieb.
    »Ich werde ihn über die von mir sorgfältig geplanten Ereignisse in Kenntnis setzen«, sagte der Politiker.
    »Ich werde ihm erklären, daß ich ein Trinkgeld für den Schuhputzer brauchte und der Regierungsscheck über einhundert Millionen Dollar zufällig in der Portokasse lag«, sagte der Unternehmer.
    Welchen Fall Vandevater auch übernahm, stets kam der Verdächtige wieder auf freien Fuß. Er hatte so etwas wie ein >entlastendes Händchen< - ein Ausdruck, den einer meiner literarischen Freunde einmal für ihn geprägt hat. (Natürlich kannst du dich daran nicht erinnern - ich spreche auch nicht von dir. Würde ich dich etwa als >literarisch< bezeichnen?)
    Die Monate gingen dahin, und die Anzahl der Fälle, die vor Gericht kamen, verringerte sich immer mehr. Unzählige reumütige Einbrecher, Straßenräuber und Schwerverbrecher kehrten mit makellos reiner Weste zu ihren Freunden und Verwandten zurück.
    New Yorks Elite hatte natürlich bald herausgefunden, was sich da abspielte und was die Ursache des Ganzen war. Vandevater arbeitete bereits seit zweieinhalb Jahren bei der Polizei, als ihm auffiel, daß man ihm nicht mehr mit der üblichen Kameradschaft begegnete und seine Vorgesetzten ihn mit einem nachdenklichen Blick begrüßten. Eine Beförderung war nicht in Sicht, obwohl Vandevater -wann immer es ihm passend erschien - seinen Onkel, den Bürgermeister erwähnte.
    Er wandte sich an mich, wie es junge Männer in Not häufig tun, um in der Weisheit eines Mannes von Welt Zuflucht zu suchen. (Ich weiß nicht, was du damit meinst, mein Freund, ob ich dir einen solchen Mann empfehlen könnte. Bitte unterbrich mich nicht mit deinen unpassenden Einwürfen.)
    »Onkel George«, sagte er, »ich glaube, ich stecke in Schwierigkeiten.« (Er nannte mich immer Onkel George, weil ihn die Würde und Eleganz meines wohlfrisierten weißen Haars so sehr beeindruckten. Kein Vergleich zu deinen ungepflegten Koteletten.)
    »Onkel George«, sagte er, »ich verstehe nicht, warum ich noch nicht befördert wurde. Ich gelte immer noch als Berufsanfänger auf der untersten Stute. Mein Büro liegt in der Mitte des Flurs, und mein Toilettenschlüssel paßt nicht. Mich selbst würde das natürlich nicht weiter stören, aber meine liebste Minerva ist in ihrer Unschuld auf die Idee gekommen, daß ich möglicherweise ein Versager bin, und dieser Gedanke bricht ihr das Herz. >Ich will keinen Versager heiraten<, sagt sie und zieht einen Schmollmund. >Man wird mich auslachen.««
    »Hast du irgendeine Erklärung für diese Schwierigkeiten, mein Junge?« fragte ich.
    »Nein, ich habe nicht die geringste Ahnung. Zugegeben, ich habe bisher noch nicht einen Fall gelöst, aber ich glaube nicht, daß es daran liegt. Schließlich kann man nicht alle Fälle lösen, nicht wahr?«
    »Lösen die anderen Kriminalbeamten denn wenigstens den einen oder anderen Fall?« fragte ich.
    »Hin und wieder schon. Aber die Art und Weise, wie sie dabei vorgehen, erschüttert mich zutiefst. Sie sind immer so furchtbar mißtrauisch und skeptisch, starren einen Verdächtigen so herablassend an und sagen dann: >Ach, ja?< oder >Das sagen Sie!<. Das ist einfach erniedrigend. Als Amerikaner tut man so etwas nicht.«
    »Könnte es sein, daß der Verdächtige lügt und sie einen Grund haben, ihm mit Skepsis zu begegnen?«
    Vandevater grübelte einen Augenblick nach. »Das ist durchaus möglich. Was für eine entsetzliche

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