Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
Vom Netzwerk:
Indizien suchen. »Ich habe nur vergessen, etwas zu essen.«
    »Dagegen kann man was machen.« Michael kam zu ihr, ebenso wie Uriel, und beide hängten sich bei ihr ein. Verwirrt schluckte sie. Seltsam, diese freundschaftliche Geste der zwei großen, starken Männer … Noch dazu waren sie Erzengel. Aber keiner von ihnen war Az.
    Sie spürte, wie sie errötete, als sie zum Schloss geführt wurde, fort von ihrer Freundin. Hinter sich hörte sie Jules lachen. Jetzt stand Gabriel neben seiner Frau auf der Klippe, und sie blickten gemeinsam aufs Meer.

3
    Unbemerkt beobachtete Azrael die Ereignisse. Er wartete im Schatten der höchsten zerbröckelnden Türme von Slains Castle. Wie ein geduckter, regloser Wasserspeier ließ er sich von den dunklen Schleiern seiner Macht einhüllen, die ihn vor seinen Brüdern verbargen. Und vor Sophie.
    Er lauschte den Neuigkeiten über ihr Stipendium, die er ihrem Gehirn bereits vor dem Altar entlockt hatte. Und dann entschied er, Sophie würde in naher Zukunft für ihn tanzen.
    Wieder einmal drang er in ihre Gedanken ein, in das komplizierte Netz ihres Bewusstseins. Davon konnte er sich nicht fernhalten. Schon jetzt wirkte sie wie eine Droge auf ihn.
    Und da spürte er ihre Sehnsucht nach ihm, die Vorwürfe, die sie sich wegen dieser Emotionen machte. Er registrierte, wie sie beschloss, nach Kalifornien zu fliegen und ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, und bezwang seinen Lachreiz. Als gäbe es auf dieser Welt irgendeinen Ort, an dem sie ihm entrinnen könnte …
    Doch das spielte keine Rolle, denn es kam nur darauf an, dass sie nicht ihm entfliehen wollte. Was für richtige, ganz natürliche Gefühle sie empfand, erkannte sie noch nicht. Sie war sein Sternenengel, er ihr Erzengel – und ein Kampf gegen dieses Schicksal völlig sinnlos.
    »Also gut, Sonnenschein«, flüsterte er dort oben auf den Schlossmauern. Im kalten Meereswind umflatterte ihn sein schwarzer Trenchcoat wie ein weiter Umhang. »Wenn du nach Frisco ziehen willst, dann auf nach Frisco!«
    Er beobachtete, wie seine Brüder sie in die Empfangshalle führten. Zum ersten Mal in seiner Existenz begegnete er dem grünäugigen Monster einer sehr realen, sehr besitzergreifenden Eifersucht, die er entschlossen verbannte. Jetzt durfte er nicht die Kontrolle verlieren, nachdem er eben erst angefangen hatte, die Situation in den Griff zu bekommen. Er wartete, bis Sophie, Michael und Uriel im Schloss verschwanden und Juliette sich mit Gabriel entlang der Felsküste entfernte. Dann sprang er aus seinem Versteck und landete mit unnatürlich perfekter Anmut auf den schwarzen Klippen der Cruden Bay. Den dunklen Wellen der Nordsee zugewandt, wählte er ein Ziel und nutzte seine Vampirkräfte.
    Innerhalb weniger Sekunden erreichte er das Tor einer alten Kirche.
    Kurz nach ihrer Ankunft auf der Erde war Azrael und seinen Brüdern ein sehr großes magisches Haus beschert worden. Dieses sogenannte Herrenhaus existierte in so vielen Dimensionen von Raum und Zeit, dass es allen logischen und physikalischen Gesetzen trotzte. Zum Beispiel ermöglichte es den Erzengeln, mittels einer x-beliebigen Tür irgendwo auf der Welt ein Portal zu öffnen, das durch das Haus und an jedes von ihnen gewählte Ziel führte, sofern es dort auch nur eine Tür gab.
    Dank dieser Magie gelangte Az nun durch das alte Kirchentor und das wirbelnde Portal in die kalifornische Bay City. Dort erhob er sich in den Himmel.
    Unter sich spürte er den Herzschlag von San Francisco, während er über der schimmernden Skyline dahinschwebte, eine Vielfalt von geballten, pulsierenden Emotionen. Die Menschen weinten, lachten, kämpften. Feuerwehrsirenen hallten durch die Nacht, Wellen prallten gegen die Küste und wichen langsam zurück. Rhythmisch klirrten die Takelagen der Segelboote an den Masten, Seelöwen heulten, Möwen schrien einander im Dunst an. Die Bremsen der Kabelstraßenbahnen quietschten, und die Wochenendtouristen machten auf Plätzen oder in Cafés das Beste aus ihrer restlichen Zeit.
    Az wusste genau, wohin er fliegen wollte.
    Zu den menschlichen Denkfehlern zählte die automatische Vermutung, ältere Leute würden ältere Dinge bevorzugen. In vielen Fällen mochte das zutreffen. Aber es gab Ausnahmen. Manchmal hatte das Alter wenig mit dem Interesse an Neuheiten zu tun. Und ein aufgeschlossener Geist genoss neue Erfahrungen, unerwartete Aussichten, Geräusche und Gefühle.
    Seit vielen Hundert Jahren existierte die Fisherman’s Wharf in dieser oder jener Form.

Weitere Kostenlose Bücher