Azrael
seiner Seele war – sein Sonnenstrahl, der Kontrast zu seinem dunklen, dunklen Mond.
Sie liebte ihn nicht. Sie war zwar scharf auf ihn und träumte von ihm – oder zumindest von dem Maskierten –, aber sie liebte ihn nicht. Warum sollte sie auch? Dafür gab es nun wirklich keinen Grund. Sie kannte ihn nicht. Noch nicht.
Am nächsten Tag würde sie Schottland verlassen. Diese Absicht hatte er in ihren Gedanken gelesen. Für sie war es sinnlos, länger dortzubleiben. Ihre beste Freundin genoss die Flitterwochen, und die würden, so wie er Gabriel kannte, ungestört verlaufen. Sicher wollte Sophie nicht das fünfte Rad am Wagen sein. Deshalb hatte sie für den nächsten Morgen den Rückflug in die Staaten gebucht.
Und das war der Punkt, an dem die Dinge für Az kompliziert wurden. Seine Brüder würden ihr vermutlich anbieten, einfach durch ein magisches Portal nach Hause zu gelangen. Doch das würde das Problem nur teilweise lösen. Sie würde zwar schneller daheim ankommen, aber tagsüber reisen.
Obwohl er der einstige Todesengel und der König aller Vampire war, hatte er gewisse Schwächen zu akzeptieren. Sobald die Sonne aufging, konnte er Sophie nicht mehr im Auge behalten. Wenn sie es auch nicht wusste: Sie musste beschützt werden. Abraxos, der gefährliche Anführer der Adarianer, war immer noch hinter einem Sternenengel her, entschlossener denn je.
Außerdem gab es Samael und seinen rätselhaften Plan zu bedenken. Weder Az noch seine Brüder oder ihr Hüter Max konnten herausfinden, was zum Geier den Gefallenen zu seinem seltsamen Verhalten bewog. Erst hatte er Eleanore Granger auf seine heimtückische Art verfolgt, dann Juliette Anderson vor den Adarianern gerettet und mit Gabriel vereint. Einerseits bekämpfte er die vier Lieblingserzengel des Alten Mannes, andererseits schien er ihnen zu helfen. Aus diesem Kerl wurden sie einfach nicht schlau. Aber was immer er auch im Schilde führte – wenn Sophie allein gelassen wurde, drohten ihr die schlimmsten Gefahren.
Kurz nachdem Azrael seine Untertanen zu sich gerufen hatte, regte sich die Luft ringsum auf übernatürliche Weise. Er öffnete die Augen und drehte sich um. Geschmeidig landeten drei männliche Gestalten, in verschiedene Schwarz-, Grau- und Brauntöne gekleidet, auf den Planken des Piers. Sie verneigten sich ehrerbietig, und erst nach einer Minute wagte einer der Männer das respektvolle Schweigen zu brechen.
»Az«, grüßte Randall McFarlan mit tiefer, etwas rauer Stimme. Fast zärtlich sprach er den Namen aus, wie ein guter Freund, und seine blauen Augen zeigten ein Gefühl, das echter Liebe gleichkam. Er war ziemlich groß, allerdings kleiner als die Erzengel. Sein rötlich braunes Haar wurde schon dünner, seine Augen verrieten einen scharfen Verstand, und sein Schnurrbart verlieh ihm ein joviales Flair. Ein bisschen sah er wie ein altgedienter Cop aus. So ausgeprägte Reißzähne wie seine Begleiter ließ er nicht erkennen. Ein paar Jahrhunderte älter als die beiden hatte er gelernt, seine Zähne zu kontrollieren. Er wirkte wie Ende vierzig oder Anfang fünfzig und besaß die Gelassenheit eines Mannes, der viel erlebt hatte. In seiner Jugend musste er sehr attraktiv gewesen sein. Vermutlich hatte er das, zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, gar nicht gemerkt. So weise und sanftmütig, wie er erschien, war er auch.
»Randall, ich brauche deine Hilfe«, begann Az, »wie auch die Unterstützung deiner Diener und der Menschen, die für dich arbeiten.«
Besorgt runzelte Randall die Stirn. »Ja, natürlich. Was gibt’s zu tun?« Die Frage klang ruhig, fast gedehnt, konnte seine Anspannung aber nicht überspielen.
»Sicher was Wichtiges.« Der jüngere, dünnere Mann an seiner Seite legte den Kopf schief. Das braune Haar kurz geschnitten, mit ähnlich blauen Augen wie Randall, strahlte er, im Gegensatz zur lässigen Attitüde des Älteren, eine hyperaktive Energie aus. »Das wusste ich. Schon die ganze Woche hatte ich dieses Gefühl.« Zufrieden mit seiner klugen Voraussicht verschränkte er die Hände hinter dem Rücken. »Also ist es Zeit loszulegen.«
Randall zog die Brauen hoch und wandte sich dem jüngeren Vampir zu. »Wovon zum Teufel redest du, Terry? Was soll das heißen?«
»Nun ja …« Terry blinzelte, schaute von Randall zu Az und zuckte die Achseln. »Es ist einfach Zeit, was zu tun. Irgendwas ganz Großes steht kurz bevor. Nicht wahr? Das spüre ich in meinen Knochen.«
Randall verdrehte die Augen und holte tief
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