Azrael
gegen die Erzengel, nachdem er versucht hatte, Eleanore Granger zu entführen, war Uriel auf unerklärliche Weise zum Vampir geworden. Über die Ursache der plötzlichen Verwandlung und Uriels ebenso schnelle Rückkehr zu seinem normalen Wesen wusste Kevin noch immer nichts. Doch hatte der Erzengel in seiner kurzen Vampirphase zwei Adarianer attackiert, ihr Blut getrunken und vorübergehend ihre Macht absorbiert.
Das hatte Kevin zu denken gegeben. Wenn ein Erzengel sich die Fähigkeiten der Männer aneignete, die er angriff – müsste das auch einem Adarianer gelingen?
Um festzustellen, ob das möglich war, nicht nur temporär, sondern dauerhaft, hatte Kevin beschlossen, einen seiner Männer zu opfern. Denn wenn es möglich war, würde er sein Problem auf die Weise lösen, das Blut des Sternenengels trinken, sobald er die Frau gefangen genommen hatte, und ihre Heilkraft für immer absorbieren.
Aber das grausame Experiment hatte auch eine düstere Nebenwirkung gehabt: Kevin war zu einem adarianischen Vampir mutiert.
Seit dem letzten Kampf gegen die vier Favoriten war eine Woche verstrichen. In dieser Zeit hatten Kevin und seine Männer sich ausgeruht, die nächsten Aktivitäten geplant und wertvolle Lektionen gelernt, die das Leben verändern würden. Nachdem der Anführer das Blut seines Opfers bis zur tödlichen Neige getrunken und sich dadurch in einen Vampir verwandelt hatte, hatte er überlegt, wie sich der Blutkonsum auf andere Adarianer auswirken mochte. Konnten sie nur durch den Genuss adarianischen Blutes Vampire werden oder auch, wenn sie Sterbliche aussaugten?
Das hatte er testen wollen. Immerhin verwandelte Azrael, der »König« der Vampire, schon seit Jahrhunderten Menschen in Blutsauger. Offenbar, ohne die Leute zu töten. Kevin hatte keine Ahnung auf welche Weise. In seinem Innern erwachte kein natürliches instinktives Wissen.Wahrscheinlich brachte Azrael seinen Untertanen bei, wie man’s machte. Und ihm würde der Todesengel das sicher nicht verraten. Wenn aber die Adarianer das Blut Sterblicher tranken, sie töteten und dadurch zu Vampiren wurden, konnte das ihre Macht verzehnfachen.
Zuerst versuchte Ely die Transformation. Für diese Aufgabe besaß er anscheinend die beste Konstitution von allen Adarianern. Und tatsächlich, ohne Brechreiz saugte der riesengroße Schwarze einen Menschen zur Gänze aus. Kevin war beeindruckt – und schöpfte Hoffnung.
Welche fabelhaften Chancen würden sich ergeben … Also war die grausige Aktion nicht umsonst gewesen. Die fiel Ely immer leichter, nachdem er seinen ersten Schluck Menschenblut verdaut hatte, und er hungerte bald geradezu nach der dicken roten Flüssigkeit. Vierundzwanzig Stunden später hatte die Mutation begonnen.
Wenn Ely jetzt lächelte, entblößte er unheimliche spitze Reißzähne, und in seinen Augen glühte ein höllisches Rot.
Kevin hatte Mitchell und Luke beauftragt, Elys Beispiel zu folgen. Nachdem sie Vampire geworden waren, hatte er die anderen daran gehindert, dasselbe zu tun. Denn er kannte die bedrohliche Schwäche der Vampire angesichts der Sonne, und die drei restlichen Adarianer mussten tagsüber wachsam bleiben.
Nun bestand die Adarianer-Truppe aus vier überaus mächtigen, gefährlichen Erzengel-Vampiren und drei normalen Adarianern. Diese Mischung gefiel Kevin. Doch das war noch nicht alles. Die Möglichkeit, sich fremde Fähigkeiten mittels Blutkonsum anzueignen, eröffnete den Adarianern ganz neue Perspektiven.
Kevin hatte vorausgeahnt, dass dadurch zusätzliche Talente entstehen könnten, und damit hatte er recht behalten. Mitchell besaß die adarianische Gabe, Gedanken zu lesen. Luke drang überall auf der Welt in Träume ein und ortete die betreffenden Personen, denn die Leute träumten oft, was sie tagsüber erlebt hatten, und Luke erkannte am Hintergrund solcher Träume ihren jeweiligen Aufenthaltsort. Aus Neugier hatte sich Kevin die zwei Talente in Kombination angeeignet, indem er das Blut beider Männer vermischte und trank. Auf diese Weise hatte er vor ein paar Tagen Juliette Anderson aufspüren können – und jetzt von dem dritten Sternenengel und dessen Plänen erfahren.
Letzte Woche hatte er mit verschiedenen Fähigkeiten experimentiert und übernatürliche Kräfte entwickelt, nach denen er und seine Männer sich jahrtausendelang gesehnt hatten, und nun steckten einige Trumpfkarten in ihren Ärmeln. Sie hatten sich neu formiert und waren stärker denn je. Auf Michael, Gabriel, Uriel und Azrael
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