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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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holte tief Luft, straffte die Schultern, und er fühlte ihren durchdringenden Blick. Doch er missachtete ihren Unmut. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Sternenengel in Daniels Kopf.
    »In einer engen Gasse … zwischen Wolkenkratzern«, stammelte Daniel. »Sie läuft. Mehr sehe ich nicht.«
    »Gut«, entschied Sam. »Vorerst bist du entlassen.«
    Daniel fiel vornüber auf den Teppich und ballte die Fäuste. Offenbar versuchte er, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sam beobachtete ihn eine Weile. Dann fing er Liliths Blick auf.
    »Bring unseren Freund in sein Quartier, Jason«, befahl er, ohne seinen Assistenten anzuschauen. Er spürte die Bewegungen des Incubus und beobachtete, wie er Daniel eine Hand hinhielt. Diese Hilfe nahm der Sklave nicht an, sondern stand, genau wie es sein Herr erwartet hatte, aus eigener Kraft auf. Xathaniel war sehr stark. Und Samael hatte ihn grausam misshandelt. Deshalb meldete sich manchmal Sams Gewissen. Aber es gab etwas, was er mit aller Macht haben wollte, und nur Daniel konnte es ihm verschaffen. Er wartete, bis die beiden Männer das Büro verlassen hatten, und schloss die Tür hinter ihnen. Erst dann musterte er Lilith. »Was immer dir auf der Zunge brennt, spuck’s aus, Lily, bevor es dich versengt.«
    »Du täuschst dich in ihm.«
    »Wen meinst du?« Er schlenderte zur Bar und zog den Stöpsel aus einer Kristallkaraffe. »Daniel?«, fragte er, obwohl er es besser wusste.
    »Michael.«
    »Ach ja?« Er hob die Brauen.
    »Du irrst dich in Bezug auf Michael und den Alten Mann. Mehr als du ahnst.«
    Jetzt klang ihre Stimme reumütig, was er interessanter fand als ihre Worte. Er stellte die Karaffe auf die Marmortheke der Bar zurück und versuchte Liliths Blick auf sich zu ziehen. »Was sagst du da, Lily?«
    Statt zu antworten, ging sie zur Tür und öffnete sie. Ein letztes Mal sah sie ihn an, mit rätselhaften Augen. Dann ließ sie ihn mit seinen Gedanken allein.
     
    Ihre Lieblingsmusik ist klassischer Rock, ihre Lieblingsfarbe Orange, ihr Lieblingsfilm Tim Burtons Alice im Wunderland, ihr Lieblingsschokoriegel Violet Crumble, ihre Lieblingsspeise Thai-Frühlingsrollen, ihr Lieblingsort auf der Welt …
    Azrael blinzelte, während Sophie ihm in einer Nische des Panera gegenübersaß und schüchtern ihre Tomatensuppe löffelte. Mittels seiner Vampirmagie gaukelte er ihr vor, auch er würde essen, und ließ die Suppe einfach verschwinden. Währenddessen fixierte er seinen Sternenengel. Unverfroren nahm er alles auf, was er über Sophie herausfinden konnte. Wie üblich verschonte er die blockierten Seelentiefen. Mit der Zeit würde er alles erfahren. Wenn sie bereit war, nichts mehr zu verdrängen und ihm ihre Leidensgeschichte anzuvertrauen.
    Er hatte sie nach ihrem Studium, ihren Tanzkursen und Zukunftsplänen gefragt. Vor ein paar Nächten war Randall McFarlan zu ihm gekommen und hatte berichtet, die Adarianer würden sich in San Francisco umtun. Natürlich konnten sich die ehemaligen Erzengel überall auf der Erde frei bewegen. Ganz, wie es ihnen beliebte. Aber Az war nicht so dumm, ihre momentane Anwesenheit in Frisco für reinen Zufall zu halten. Leider hatte er keine Ahnung, woher sie wussten, dass Sophie dorthin ziehen würde. Über alles, was sein Sternenengel beabsichtigte, musste er sich informieren. Wissen war Macht.
    Soeben hatte sie ihm von Berkeley und dem Campus erzählt. Jetzt starrte sie gedankenverloren vor sich hin, den Löffel reglos in der Hand.
    »Sophie?«
    Sie zuckte zusammen und schaute ihn wieder an.
    »Alles in Ordnung?«
    Lächelnd nickte sie. »O ja.«
    Entweder log sie, oder sie tischte ihm eine Halbwahrheit auf. Beides war inakzeptabel für Az, dessen Beschützerinstinkt im Hinblick auf sie momentan extrem ausgeprägt war. Ohne zu zögern, versank er erneut in ihrem Geist und sah, was sie sah.
    Sie aß weiter. Aber vor ihrem inneren Auge hielt sich eine lebhafte Erinnerung. An einem ruhigen späten Dienstagabend stand sie auf einem Pier des Fisherman’s Wharf. Nebel verhüllte die Bucht. Ein paar Nachzügler waren noch unterwegs, Straßenkünstler packten ihre Requisiten ein. Gemächlich wanderten einige Touristen zu ihren Hotels zurück. Neben ihren Eltern schaute die fünfjährige Sophie über das Holzgeländer auf die steigende Flut. Möwen kreischten. Hin und wieder ertönte eine Glocke im dichten Nebel, das Licht des Leuchtturms von Alcatraz durchschnitt die graue Suppe, blitzte kurz auf und verschwand wieder.
    In diesem

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