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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Moment lag eine seltene, kostbare Stille über dem Pier. Die kleine Sophie schloss die Augen, atmete Salz und Meeresgeruch ein und lächelte über die Haarsträhnen, die in der feuchten Luft an ihren Wangen klebten. Ein kleines bisschen fröstelte sie. Und sie liebte es.
    Das war ihre schönste Erinnerung. Alle paar Monate hatten die Eltern sie ins Fisherman’s Wharf geführt. San Francisco war die Lieblingsstadt ihrer Mutter gewesen.
    Jetzt verstand Azrael, was in Sophie vorging. Sie war nicht von dem Gedanken besessen, Tänzerin zu werden oder auch nur Tanzunterricht zu geben. Dieses Studium wollte sie nicht aus Stolz beginnen, aus Angst vor der Zukunft oder weil sie sich irgendwie dazu verpflichtet fühlte. Nur um dem Geist ihrer Eltern nahe zu sein, zog es sie nach San Francisco, nur deshalb strebte sie eine akademische Ausbildung an. Für sie war einzig und allein die renommierte Berkeley University des Erbes würdig, das die Eltern ihr hinterlassen hatten.
    Ein bewegender Gedanke. Doch das war es nicht, was Azrael am stärksten beeindruckte, sondern die erstaunliche Erkenntnis, dass der Pier 39 Sophies Lieblingsort auf dieser Welt war – und auch seiner.
    Eigentlich hätte ihn das nicht verblüffen dürfen. Während er noch darüber nachdachte, spürte er plötzliche atmosphärische Störungen. Sie sind hier. Er sandte diese Information seinen vier Musikern, die sie sofort empfangen würden, und auch die anderen Vampire in seiner Nähe würden die Nachricht erhalten und dem Ruf folgen.
    Dann unterwarf er Sophie seinem Willen und zwang sie zum Gehorsam. Wegen ihres ungewöhnlich komplexen Gehirns war das schwieriger als erwartet, und trotzdem schaffte er es innerhalb weniger Sekunden. Sobald sie ihren Löffel neben die Brotschüssel legte und ins Leere starrte, stand Az auf und ging um den Tisch herum, ergriff ihren Ellbogen und führte sie aus dem Lokal.
    Als sie in die Nacht hinaustraten, fühlte er sofort die Wachsamkeit aller Vampire, die sich versammelt hatten, um ihre künftige Königin zu schützen. Von intensiven Emotionen bestürmt, eilte er mit ihr in die nächstbeste Seitengasse und rief Uro zu sich. Er war wütend, weil die Adarianer ihm den Abend verdarben, weil Abraxos einzugreifen wagte und weil Sophie in ihrem jungen Leben neuen Gefahren ausgeliefert war. Aber vor allem bedauerte er, dass er sich den Geist seines Sternenengels notgedrungen hatte unterwerfen müssen. Sophie verdiente etwas Besseres.
    Dafür würde Abraxos mit dem Leben bezahlen.

10
    Azrael flog mit Sophie zu ihrem Apartment, an allen Seiten von Vampiren umgeben. In der relativen Sicherheit ihrer Mietwohnung verwandelte er die gesamte Einrichtung in massives Gold. Ob dieses Metall die Adarianer nach ihrer Verwandlung in Vampire immer noch verätzte, blieb abzuwarten. Einen Versuch war es sicher wert. Egal, welche Monatsmiete Sophie gezahlt hatte – die Summe würde nicht einmal den Tageszinsen des Werts entsprechen, den das Apartment jetzt hatte. Bevor sie auszog, musste er alles wieder zurückverwandeln. Sonst würden die goldenen Räume zu großes Aufsehen erregen.
    Während er so beschäftigt war, fühlte er, wie die adarianische Präsenz verebbte. Offenbar hatten der General und seine Männer die Vampire des Königs bemerkt und sich zum Rückzug entschlossen, um es ein andermal erneut zu versuchen.
    Az ließ sie entkommen, obwohl es ihm verdammt schwerfiel. Denn das Monster, das Raubtier und der Todesengel in ihm wollten den adarianischen General zur Strecke bringen. Enthaupten wollte er ihn, den restlichen Körper im Wüstenzwielicht an einen Goldblock ketten und sogar sengende Sonnenstrahlen erleiden, um zu beobachten, wie der gefährliche Bastard als Aschehaufen in den Sand sank.
    Aber er durfte Sophie nicht allein lassen. Nicht in dieser Nacht.
    Dank seiner Magie war sie eingeschlafen. Vor Sonnenaufgang würde sie nicht erwachen. Dann würde er sich bereits im Untergrund vor dem Tageslicht verstecken und sie einem Dutzend menschlicher Diener anvertrauen.
    Natürlich wäre es nur logisch gewesen, seine Brüder über Sophie zu informieren und zu erklären, vorerst müsse sie im Herrenhaus unter der Obhut aller vier Erzengel wohnen. Das wäre am sichersten und vernünftigsten gewesen. Aber völlig falsch, weil es um Sophie ging. Er könnte sie physisch schützen und die Adarianer von ihr fernhalten. Doch er würde ihre Seele verlieren, und der Weg zu ihrem Herzen wäre ihm für immer verschlossen. Das wollte er nicht

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