Azrael
Weise mit ihrer Mom verbunden fühlte. Oder einfach nur, weil sie die Weite des Meeres genoss.
Jedenfalls war sie so glücklich wie schon lange nicht mehr gewesen, als sie Azraels heimliches Hobby entdeckt hatte.
Warum vergönnte ihr das Schicksal dieses Glück? Wurde sie belohnt, weil sie in einem früheren Leben etwas Gutes getan hatte? Wie auch immer, als sie Azrael an Bord gefolgt war, hatte sie etwas beschlossen. Wenn es den Erzengel nicht störte, mit ihr zusammen zu sein, während er auf das Erscheinen seines perfekten Sternenengels wartete, würde es ihr ebenso wenig ausmachen. Klar, später würde sie keine anderen Männer ertragen. Doch das war es ihr wert.
Anfangs hatte sie sich etwas unbehaglich gefühlt, nachts auf dem dunklen Wasser, allein mit zwei so starken Männern. Wo sie war, wusste niemand. Alle möglichen schlimmen Dinge konnten passieren. Aber Azraels herzerwärmendes, einladendes Lächeln hatte diese Sorge verscheucht. Sie hatte das Lächeln erwidert – fast laut gelacht – und sich auf die nächsten Stunden gefreut.
Nachdem die zwei Männer die Vertäuung gelöst hatten, steuerte Uro das Boot aufs Meer hinaus, und Az setzte die Segel. Hingerissen beobachtete Sophie, wie sie knatternd in der Brise emporstiegen, vom Atem des Pazifiks gefüllt. Über der Bucht wehte kein starker Wind, doch es genügte zum Segeln.
Für April war die Nacht relativ ruhig. Von Westen zog noch kein bedrohlich dichter Nebel heran. Obwohl Sophie keine Seglerin war, wusste sie, in welche Gefahr er ein Boot bringen konnte. Eine niedrige weiße Wolkenbank hing, zumindest vorerst, unbewegt in der Ferne. Selbst wenn sich das ändern sollte, würde der Erzengel damit problemlos fertigwerden.
Jetzt verließ er den Bug und kam zu ihr. Er schlüpfte aus seinem Trenchcoat, legte ihn ihr um die Schultern und kniete vor ihr nieder. Als sie seinem Blick begegnete, hielt sie den Atem an. »Ist es so besser?«, fragte er mit einem magischen Lächeln.
Verwundert blinzelte Sophie. Sie hatte nicht gefroren. Und das war erstaunlich. So viele Leute verfluchten die Nächte von San Francisco wegen der feuchtkalten Luft, die einem bis in die Knochen drang, besonders hier draußen in der Bucht.
Aber Azraels Nähe wärmte Sophie. Keinesfalls durfte er das merken. »Ja«, flüsterte sie. Der Mantel aus einem schweren, kostbaren Stoff roch nach ihm. Nach Sandelholzseife und der Nacht, die ihr wie ein Teil von ihm erschien. Ich bin im Himmel.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, lachte er leise, und dieser Klang sandte einen wohligen Schauer durch Sophies Körper. Dann stand er auf, konzentrierte sich wieder auf das Boot und die Wellen ringsum.
Mit lässiger Präzision durchschnitt der stromlinienförmige Rumpf der Calliope das tiefe, dunkle Wasser, verjagte ohne Furcht oder Zögern dünne Nebelschleier. Manchmal kehrte Az zum Bug zurück. Um die Segel zu trimmen und Taue zu lockern oder festzuzurren. An diese Ausdrücke erinnerte sie sich. Vom Steuerhaus aus bediente Uro die Winden und straffte die Taue oder löste sie, je nachdem welche Windstärke die Segel blähte, welchen Kurs das Boot nehmen sollte und in welchem Tempo.
Sie war stolz, weil sie das plötzlich wusste. Obwohl ihre Mutter segeln gelernt und ihr vieles erklärt hatte, war Sophie sicher gewesen, das alles vergessen zu haben. Offenbar war jedoch einiges in ihrem Unterbewusstsein hängen geblieben.
Lächelnd schaute Az zu ihr herüber. Jedes Mal, wenn sie das sah, kam sie sich wie die einzige Frau auf der Welt vor. In ihre sinnlichen Gefühle für Azrael versunken, brauchte sie eine Weile, bis sie die Ankunft des Nebels bemerkte. Verwirrt richtete sie sich auf. Eine weiße Wand umgab die Calliope und rückte immer näher heran. Eben noch hatte Sophie die Wellen beobachtet, die das Boot sanft schaukelten, und war von dem stetigen Auf und Ab fasziniert gewesen. Jetzt stellte sie fest, dass sich die Sichtweite auf etwa fünfzehn Meter verringert hatte.
Wegen der fast windstillen Nacht würde keine Brise die dicke Suppe über der Bucht durchschneiden. Während Sophie die weiße Wand herangleiten sah, entsann sie sich, wie sie auf dem Pier gestanden hatte und in ihrer Fantasie aufs Meer hinausgesegelt war.
Und jetzt? Seltsam, sie hatte sich etwas ausgemalt, und eine Stunde später erfüllte sich der Wachtraum. Wie hypnotisiert starrte sie in den Nebel. An Bord der Calliope befanden sie sich in einer anderen Welt, drei Landratten, zu einem One-Night-Stand mit dem
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