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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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Brief, den er auf ihrem Kissen hinterlassen hatte. Einerseits war sie gekränkt, weil sie ihn seither nicht gesehen hatte, und sie fühlte sich ein bisschen wie ein One-Night-Stand, obwohl es nicht zum Sex gekommen war. Aber andererseits fand sie ihr Unbehagen ohnehin schon schlimm genug. Sie war nicht nur das fünfte Rad am Wagen, sondern gewissermaßen das neunte Rad. Da waren die vier Erzengel-Brüder, und jeder hatte einen Sternenengel. Mochte sie auch Juliettes beste Freundin sein – sie gehörte nicht zu dieser Familie, die aus vier schicksalhaft verbundenen Paaren bestand.
    Seit der Hochzeit hatte sie oft mit Juliette telefoniert. Trotzdem kam sie sich wie eine Außenseiterin vor. So würde sie sich auch fühlen, wenn sie Jules besuchte. Oder vielmehr: falls.
    Sie schloss die Augen und bekämpfte die Wehmut, die ihre Kehle verengte. Dann verdrängte sie die bedrückenden Gedanken, hob die Lider und musterte wieder die steilen Straßen, den dunklen Nebel über der Bucht.
    Als die Kabelstraßenbahn die Hyde Street erreichte, hielt Sophie sich an einer Stange fest, um nicht über die Bank zu rutschen und gegen das Paar zu prallen, das in ihrer Nähe saß. Das erschien ihr amüsant, und es lenkte sie endgültig von unerfreulichen Gedanken ab. Sie liebte die Kabelstraßenbahnen, die einem so viel auf einmal boten: Achterbahnfahrten, nostalgische Geschichtslektionen und einen verlässlichen Transport.
    In der Washington Street musste sie entscheiden, ob sie aussteigen und die sieben Häuserblocks bis zu ihrem Apartment an der Hemlock Street gehen oder bis zur California fahren und umsteigen sollte. Das würde länger dauern, aber sie müsste nicht durch bedrohlich dunkle Gassen laufen, und nachts war sie eh nie müde. Am liebsten würde sie immer um vier Uhr früh ins Bett gehen und morgens zwischen zehn und elf aufwachen.
    Erst im Herbst würde ihr Studium beginnen. Den ganzen Sommer konnte sie tun, was ihr gefiel. Mit dem Geld, das sie von den Eltern geerbt hatte, und ihren Ersparnissen würde sie Frisco genießen, und sie musste sich keinen Job suchen.
    Kein schrilles Weckergeklingel, keine Termine. Einfach nur leben in dieser wunderschönen Stadt … Diese plötzliche Freiheit verblüffte sie. Woher kam sie so plötzlich? War sie immer schon da und hat nur darauf gewartet, dass ich sie nutze? Oder habe ich sie mir redlich verdient?
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Irgendwie beängstigend, dieses neue Gefühl. Aber auch beglückend.
    Sie stieg erst in der California Street aus und winkte dem Fahrer zu. Jetzt war es kurz nach eins. In ein paar Minuten würde die andere Bahn kommen. Auf die warteten einige Leute, und so musste Sophie trotz der späten Stunde keine Gefahr fürchten. Sie setzte sich auf die Stufen vor dem Caffe Cento und starrte ins Nichts, bis sie Schritte an ihrer Seite hörte.
    Als sie aufblickte, stockte ihr der Atem, ihr Adrenalin spielte verrückt, ihr Puls raste.
    »Az!«, rief sie und sprang auf. Sonst wusste sie nichts zu sagen. Zitternd strich sie sich die zerzausten Locken aus dem Gesicht und fragte sich, ob sie so derangiert aussah, wie sie sich fühlte.
    Da stand er und schaute sie mit diesen Bernsteinaugen an, die sie so heiß machten, lächelte rätselhaft und betörend. Wie immer war er schwarz gekleidet, und diese Farbe betonte seine hochgewachsene, kraftvolle Gestalt viel zu verführerisch.
    Noch schlimmer, er war nicht allein. Uro begleitete ihn, und der attraktive Gitarrist schenkte ihr das gleiche mysteriöse, schmeichelhafte Lächeln wie Azrael.
    Das konnte sie fast nicht ertragen. Verdammt, sie bekam kaum Luft.
    »Sophie.« Als sie Azraels tiefe Samtstimme hörte, glaubte sie dahinzuschmelzen. Respektvoll neigte er den Kopf und ließ sie keine Sekunde lang aus den Augen. So verlockend sprach er ihren Namen aus, das erinnerte sie an ihre Fantasie vorhin auf dem Pier.
    Prompt stieg ihr das Blut wieder in die Wangen. Diesmal vor Wut. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich, bezwang ihre flatternden Nerven und straffte die Schultern. »Was machen Sie denn hier, Azrael?«
    Sein Lächeln wurde breiter, dann zeigte er auf seinen Gefährten. »Tagsüber wagen wir uns nicht ins Freie.« Er warf einen kurzen Blick auf die paar Leute, die an der Haltestelle warteten. »Aber jetzt können wir ein bisschen relaxen.«
    »Das haben wir nötig«, ergänzte Uro.
    Sie schaute ihn an und spürte, wie sich ihr Erröten verstärkte. In ihrer Fantasie hatte er nach Az die zweitgrößte Rolle

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