Azrael
Probleme.
Die Adarianer?
Az ging zum Bett. Nach einem tiefen Atemzug hob er die Hand, zeichnete in der Luft die Umrisse von Sophies Gestalt nach, und schon durchzogen schimmernde Goldfäden ihre Kleidung. Es war immer besser, auf Nummer sicher zu gehen. Diesen Trick hatten auch Gabriel und Uriel bei ihren Sternenengeln angewandt. Laut Juliette übte das Gold auf Abraxos keine ätzende Wirkung mehr aus, was zweifellos damit zusammenhing, dass er neuerdings ein Vampir war. Aber er war nicht der einzige Adarianer.
Als Az sich durchs Haar strich, spürte er das Zittern seiner Finger und wandte sich zu Uro, der ihn schweigend beobachtete. Trotz allem, was der Mann in dieser Nacht erduldet hatte, strahlte er freundschaftliche Wärme aus, und das bedeutete Azrael sehr viel. Uros dunkler Blick glich dem Nachthimmel.
»Durch wie viele Schatten musstest du gehen, um mich zu finden?« Azraels tiefe Stimme klang geschwächt. Bald würde er wieder eine Mahlzeit brauchen.
Lächelnd zuckte Uro die Achseln. »Durch einige.«
»Bis zum Sonnenaufgang bleiben uns noch ein paar Stunden.« Az erwiderte das Lächeln. »Vorher sollten wir uns stärken.« Beide konnten sich unglaublich schnell bewegen, eine geeignete Seele finden, die sie nähren würde, und zur Brücke zurückkehren. In der Höhle würde Sophie nichts zustoßen. Nur wer Schatten zu durchqueren vermochte, würde sie dreißig Meter tief unter dem Strand finden, in einem Raum ohne Fenster und Türen, mit magisch erzeugtem Sauerstoff gefüllt. »Außerdem muss ich mit meinen Brüdern reden.«
»Die sind immer noch bei der Brücke«, erklärte Uro.
»Ja, natürlich.«
Frustriert fuhr sich Michael mit beiden Händen durchs Haar, während er auf der Golden Gate Bridge stand. Er hatte ohnehin schon genug Stress mit den Adarianern und Samael, wo immer der gerade sein mochte, und dem Vergewaltiger, der in New York sein Unwesen trieb. Neuerdings war sein Cortisolspiegel beträchtlich gestiegen.
In dieser Nacht lag irgendetwas in der Luft, das wie Glasscherben seine Nerven durchschnitt und die Realität durcheinanderwirbelte, sodass er kaum mehr einen Unterschied zwischen den Tatsachen und den Ereignissen erkannte, die er in naher Zukunft befürchtete.
Randall McFarlan hatte Michael, Uriel, Gabriel, Max und die beiden Sternenengel auf der Brücke getroffen, nachdem sie durch ein Portal des Herrenhauses nach San Francisco gelangt waren. Wenngleich Mike zugeben musste, dass ihm die meisten von Azraels »Geschöpfen« unsympathisch waren, mochte er Randy sehr gern. Wie so oft wurde der Mann von den jüngeren Vampiren Terrence Colby und Casper Monte Vega begleitet. Laut McFarlan war Az mit einer Frau draußen auf dem Meer an Bord seines Boots gewesen, als ein achtzehnrädriger Laster die Kabel der Golden Gate Bridge durchstoßen und nach einem unglaublichen Sturz das Segelboot zertrümmert hatte. Das bedauerte Michael, denn er hatte sich immer sehr wohl auf der Calliope gefühlt. Wie ein Fels war der Laster auf den Grund der Bucht gesunken. Das hätte der Fahrer ohne die Geistesgegenwart von Azraels Vampiren und Mikes Heilkunst nicht überlebt.
So schnell war das alles geschehen.
Gerade hatte Michael in New York seinen Dienst beendet und wenig später einen Handy-Anruf von Max erhalten. Mittels einer telepathischen Nachricht war der Hüter von Az über einen Unfall auf der Golden Gate Bridge informiert worden, wo übernatürliche Hilfe erforderlich wäre. Max rief auch alle anderen an, die sich im Herrenhaus versammelten und durch das Portal nach San Francisco eilten.
Dort trafen sie Azraels Musiker Uro, andere Vampire erschienen, und alle führten die Neuankömmlinge zur Brücke, wo sich ihnen ein grausiger Anblick bot.
Im Lauf seiner Existenz hatte Michael schon viele zerstörerische Katastrophen gesehen und die Gräueltaten der »misslungenen« Geschöpfe geahndet, die der Alte Mann auf die Erde geworfen hatte, um sie zu vergessen. Gegen Dämonen hatte Mike gekämpft. Gegen Kreaturen, so alt und verwerflich, dass sich niemand mehr an ihre Namen erinnerte, weil die Menschen sich jahrhundertelang geweigert hatten, sie auszusprechen.
Menschliche Zerstörung war anders. Ob von Menschen verursacht oder Menschen treffend – Michael fand sie stets noch schlimmer als die übernatürlichen Verbrechen.
Niemals kehrten die Erzengel menschlichem Leid den Rücken, sondern halfen den Opfern, wann immer es möglich war. Auf der Welt gab es sehr viel Leid, an verschiedenen Orten,
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