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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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ringsum schien dick wie Stahlwolle.
    Als er aufschaute, wurde er von Sams Blick gefesselt.
    »Michael jagt einen Vergewaltiger«, führ der Gefallene emotionslos fort. »Sag ihm, er soll im Park spazieren gehen.« Lässig kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück. »Viele Leute behaupten, dort würden sie die Antworten finden, die sie suchen.«

23
    Es gibt tatsächlich Vampire.
    Schon immer hatte Sophie geglaubt, auf der Welt würde es mehr geben, als das bloße Auge sah. Geistergeschichten faszinierten sie, Spukhäuser beflügelten ihre Fantasie. Sie hatte alle Vampirfilme gesehen und jeden Vampirroman gelesen, der ihr während der Kindheit in die kleinen Waisenhände gefallen war. Nicht weil sie glaubte, das alles wäre eine amüsante Erfindung, oder weil es ihr Spaß machte, die Schauspieler zu beobachten. Sondern weil ihr die Thematik zu denken gab.
    Aber jetzt saß sie irgendwo auf dem kalten Steinboden einer Zelle, und die Tatsache, dass außer Erzengeln auch Vampire existierten, weckte … seltsame Gefühle in ihr. Als wäre sie selbst nichts als eine Fantasiefigur, einem der Bücher oder Filme entsprungen, die sie so liebte. Sie lebte in einer Fantasiewelt. Das hatten ihr die Lehrer in der Schule manchmal vorgeworfen. Wenn sie wüssten, was ihr jetzt widerfuhr …
    Ein lautes Klirren erschreckte sie, und sie hob den Kopf. Hastig fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Lider. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie geweint hatte. Sie schaute zur Gittertür und sah jemanden, den sie nicht kannte. Inzwischen fand sie gar nichts mehr erstaunlich. Der Mann war durchschnittlich groß, weder dünn noch dick und hatte schütteres braunes Haar. Mit unscheinbaren blauen Augen hinter einer Drahtbrille musterte er Sophie.
    Untadelig gekleidet, in einem Anzug von der gleichen Farbe wie sein Haar, stand er da und wartete, bis die Gitterstäbe zur Seite geglitten waren. Wie Sophie bemerkte, öffneten sich zugleich auch die Türen auf der anderen Seite des Flurs. Alle Lampen waren nun eingeschaltet.
    »Miss Bryce«, begann der Mann in freundlichem Ton. Die Hände vor der Brust gefaltet, verharrte er in der offenen Tür.
    Sophie blinzelte und stand auf.
    »Hoffentlich haben Sie gut geschlafen.« Mit makellos manikürten Fingern wies er auf das Bett hinter ihr. »In der Eile konnte ich leider kein komfortableres Lager beschaffen.«
    »Wer sind Sie?«, fragte sie unwillkürlich und hörte, wie heftig ihre Stimme zitterte. Anscheinend ging es ihr noch schlechter, als es ihr bewusst geworden war.
    »John Smith. Bitte, nennen Sie mich John. Ich soll Sie zu meinem Arbeitgeber führen. Geduldig hat er gewartet, damit Sie sich von dem Zauber erholen konnten, dem die Adarianer Sie unterworfen hatten. Er hätte Sie gern geweckt. Aber er fand, Sie würden etwas Ruhe benötigen.«
    Sophie brauchte ein paar Sekunden, um das zu verarbeiten. Arbeitgeber? Adarianer? Also war der Boss kein Adarianer? »Wo sind wir?«
    »In einem alten Gefängnis.« Smith sah sich in der Zelle um, leicht angewidert, aber sein Gesicht wurde sofort wieder so ausdruckslos wie zuvor. »Glauben Sie mir, das haben wir nicht entschieden. Aber die Zeit drängte, und das Schicksal führte uns hierher.«
    Noch nie war Sophie so verwirrt oder erschöpft gewesen. Sah sie so mitgenommen, zerzaust und zerknittert aus, wie sie sich fühlte?
    »Bitte.« Mr. Smith trat beiseite und bedeutete ihr, die Zelle zu verlassen. »Folgen Sie mir.«
    Was blieb ihr anderes übrig? Doch einen Moment hatte sie Mühe, in den Flur hinauszugehen. Es war, als würde etwas an ihrem Körper ziehen, ihn zurückschieben, um sie gefangen zu halten. Für immer. Aber das muss ich mir einbilden. Es sei denn, auch Geister existieren. So wie Engel. Und Vampire.
    »Wahrscheinlich sind Sie ziemlich durcheinander«, meinte Smith, während er sie durch den langen grauen Korridor führte. Zu beiden Seiten standen die Türen offen, waren die Zellen leer. »Und verängstigt.«
    Nur mit halbem Ohr hörte sie ihm zu, in ihre eigenen Gedanken versunken. Wo sie war, wusste sie. Diesen Ort hatte sie in ihrer Kindheit zusammen mit ihren Eltern besucht.
    Damals war sie von Touristen umringt. Kinderstimmen hatten in den Korridoren widergehallt, Frauen gewispert, Männer fotografiert. Jetzt herrschte unheimliche Leere in den Fluren, niemand hielt sich hier auf außer John Smith, wer immer er sein mochte, und ihr selbst und den Geistern der Männer, die vor langer Zeit hier hinter Gitter gesessen hatten.
    Sophie

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