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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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geflüstert. Irgendwie hatte Gregori den Hof durchquert. Jetzt stand er vor ihr. Sie hatte ihn nicht kommen sehen.
    Erfroren. Versteinert.
    Und da erkannte sie, was sie an diesen Augen faszinierte und störte. Die Pupillen waren nicht rund, sondern sternförmig – undurchschaubare, rabenschwarze, tödliche Sterne mit zahlreichen Zacken. Als er lächelte, entblößte er Raubtierzähne, die sie an Azrael erinnerten, schneeweiß und etwas zu lang.
    »Was sind Sie?«, hörte sie sich fragen, von einem Zittern erfasst, das bis in ihr Knochenmark drang. Gregoris Nähe, auf dieser isolierten Felseninsel inmitten eines kalten, tiefen Meeres, erschütterte alle Fasern ihres Seins. Und ihr Körper erkannte die panische Angst, die sie erfüllte.
    »Ein Bote«, antwortete Gregori, »ein Krieger, ein Beschützer.« Langsam ging er um sie herum, und sie drehte sich um die eigene Achse, damit sie den Blickkontakt nicht verlor. In diesem Moment hätte sie alles getan, um unentwegt in diese Sternenaugen zu starren. »Ein Richter.« Nun schien sein Lächeln zu ersterben, ein Schatten glitt in das Eis seiner Augen. »Ich bin der Tod.«
    So leise klang seine Stimme, so vertraulich, und Sophie fühlte sich völlig entkräftet. Hätte sie etwas zu sagen gewusst, wäre sie unfähig gewesen, es auszusprechen. Nicht jetzt, nicht hier, atemlos und von Gregoris Macht gefangen …
    »Sophie.« Er umfasste ihre Arme. Es war eine sonderbare Berührung. Trotz der Schichten ihrer Kleidung und der schützenden Wärme von Smiths Jackett taten ihr Gregoris Hände weh. Der sanfte Griff erzeugte die sengende Hitze eines Elektroherds, unangenehme Vibrationen durchströmten ihren ganzen Körper.
    Sie war anders als Azraels Berührung. Viel dominanter. Das spürte sie deutlich genug. Wer oder was immer Gregori sein mochte – er war gefährlich, erregte Ehrfurcht und lähmende Angst.
    Ich bin der Tod.
    »Vertrauen Sie mir, Sophie Bryce, ich werde Ihnen helfen«, erklärte er. »Wie Sie vor Kurzem erfahren haben, sind Sie ein Sternenengel. Sie wissen es, weil eine gewisse Macht bestimmt hat, Sie müssten es jetzt herausfinden. Jetzt« ,betonte er, »nachdem Sie erwachsen geworden und ihrer qualvollen Kindheit entronnen sind. Jetzt haben Sie Ihre Hilflosigkeit besiegt und erkennen den Weg, dem Sie folgen müssen.«
    Unwillkürlich dachte sie an die Waffe in ihrer Hand, das schwere Gewicht ihres Pflegevaters auf ihrem Körper, die Ecke der steinernen Gedenktafel, schmerzhaft in ihre Hüfte gedrückt. Sie hörte ihn keuchen und fluchen, spürte seine Finger im Hosenbund ihrer Jeans. Damals hatte sich der Schuss gelöst, der Sophie ins Vergessen gestürzt und mehr als zehn Jahre lang dazu bewogen hatte, die Realität zu verdrängen.
    Sie war ein Kind gewesen. Völlig hilflos. Hätte sie schon damals die Macht eines Sternenengels besessen, als es so wichtig gewesen wäre …
    »Aber die hatten Sie nicht, Sophie, oder?« Gregori legte seinen Zeigefinger unter ihr Kinn. Auch diese Berührung zerrte an ihren Nerven und jagte elektrische Ströme durch ihre Adern.
    Verstört starrte sie ihn an. Er wirkte fürsorglich, und dieser Eindruck passte nicht zu den hypnotisierenden Sternen in seinen Augen.
    »Nie hatten Sie, was Sie brauchten, Sophie. Weil ein Wesen da draußen die Fäden in der Hand hielt. Jemand anders hat Ihr Schicksal geplant. Und dieser Jemand hielt diesen Zeitpunkt für geeignet, um die Macht in Ihnen zu wecken.« Lächelnd umfasste er ihr Gesicht, und sie glaubte, eine Kobra zu beobachten, deren Kopf langsam hin und her schwang. »Damit Sie zum Sternenengel erblühen und Ihr Leben dem Mann schenken, für den Sie erschaffen wurden.«
    Zärtlich strich er mit seinem Daumen über ihren Wangenknochen, und sie biss die Zähne zusammen, ihre Kiefermuskulatur verkrampfte sich.
    »Alles wurde für Sie entschieden, Sophie, Ihr ganzes Leben diktiert. Nichts konnten Sie selbst bestimmen. Niemals waren Sie frei.«
    Abrupt ließ er sie los, und sie blinzelte, als er einen Schritt zurückwich. Die Kälte stürmte wieder auf sie ein und durchdrang das Jackett, das Smith ihr umgelegt hatte. Am Rand ihres Blickfelds sah sie den bebrillten Mann vor einer Mauer stehen. Schweigend beobachtete er die Ereignisse.
    »Bis jetzt« ,fuhr Gregori fort. »Jetzt können Sie sich die Freiheit nehmen und tun, was Sie wollen. Zum Beispiel … falls Sie versuchen möchten, das zu verhindern …«
    Er trat beiseite und wies auf eine junge Frau, die hinter ihm an einen Pfahl gefesselt

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