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Azraels Auftrag (German Edition)

Azraels Auftrag (German Edition)

Titel: Azraels Auftrag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Oswald
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geben, wie zum Beispiel ein minimal anderer Wert für das Planck'sche Wirkungsquantum. Es würde dann einfach kein Universum in dieser Art mehr geben.
    Eleeya blickte unsicher zu Azrael hinüber. Azrael wusste, welche enorme Verantwortung sie zu tragen hatte. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein schiefes Grinsen. Er drehte die geschlossene rechte Hand und spreizte den Daumen nach oben ab. Dann nickte er Eleeya langsam zu und sagte: „Na gut, Schwesterchen, zeig´ jetzt Dad mal, was du von mir gelernt hast.“
    Azrael stellte sich neben sie und verschränkte die Arme vor seinem ledernen Brustharnisch, der über seinem langen Gewand das einzige kämpferische Symbol darstellte. Voller Stolz blickte er zu dem ersten Wächter herüber und begann, auf den Zehenspitzen zu wippen. Doch bereits im selben Moment wurde ihm seine Ausstrahlung deutlich, und er stellte sich einfach nur breitbeinig hin. Der einsetzende Wind ließ sein schneeweißes Haar leicht wehen.
    Eleeya nickte kurz zurück, indem sie das Kinn einfach nach oben anhob. Ihr Blick wanderte zurück zum Ersten Wächter, um letztendlich wieder zu den beiden Sonnen zurückzukehren.
    Jahrelang hatte sie gelernt und sich auf diesen Augenblick vorbereitet. Wie oft hatte sie versucht, sich diesen Moment vorzustellen. Es sollte etwas ganz besonders sein. Ihr ganzes bisheriges Leben auf Zwischenwelt diente nur einer einzigen Aufgabe, und zwar der Erfüllung ihres Auftrages. Innerlich fieberte sie immer wieder diesem Auftrag entgegen, nun war es so weit. Und es war ganz anders, als sie es sich in unterschiedlichen Visionen vorgestellt hatte.
    Sie hatte Angst.
    Hoch über ihr war das Pfeifen eines Falken zu hören, der auf der Suche nach seiner Beute große Kreise zog.
    Eleeyas Blick ging zurück zum Ersten Wächter. Sie schluckte und spürte, wie ihr Mund und ihre Kehle trocken wurden. Dann senkte sie ihren Blick und nickte.
    Der Griff des Ersten Wächters um Eleeyas Schultern wurde fester, und mit einem liebenswürdigen Lächeln nickte er zurück.
    „Ich habe absolutes Vertrauen in dich, mein Mädchen!“
    Wieder schien sich eine Faust um Eleeyas Magen zu legen. Sie drehte sich um und blickte hinaus aufs Meer. Trotz der frischen Brise war die Wärme des Doppelgestirns zu spüren. Mit einer kurzen Bewegung löste sie die Kordel, welche das lange Cape zusammenhielt und legte es auf einem Stein in der Nähe ab. Auch sie trug heute eine der alten Kämpfermonturen, so wie sie Azrael ihr beschrieben hatte. Im Grunde war es eine mehrteilige Kombination aus kurzem Rock, ebenso kurzem Oberteil, Arm- und Knieschützer. Das Material ähnelte weißem Leder. Aufwendige Verzierungen aus einer messingähnlichen Substanz standen in einem guten Kontrast zu ihrer dunklen Haut. Waffen oder etwas Ähnliches trug sie jedoch keine.
    Langsam schritt sie an den Rand der Felsnadel und warf einen Blick auf die Brandung unter ihr. Obwohl die Gischt fast einen Meter hoch war wirkte sie aus dieser Höhe unbedeutend. Die Ebbe war heute außergewöhnlich stark und die Korallenbänke ragten mehr als zehn Meter aus dem Wasser.
    Eleeya blieb eine Zeitlang so stehen, ohne dass sie an etwas Bestimmtes dachte. Sie nahm einfach nur den Moment in sich auf - eine mentale Vorbereitungsphase, wie sie Azrael ihr gezeigt hatte. Sie fühlte den grasbewachsenen Boden unter ihren Füssen, den Wind auf ihrer Haut. Ein paar Felshörnchen piepsten in der Nähe und über ihr schwebte mit langsamen Flügelschlägen ein Metork, der Ausschau nach etwas Essbarem für seine Jungen suchte. Es war ein sehr ruhiger, schöner Morgen.
    Eleeya hatte das Gefühl, als könne sie das Pulsieren Denaans bereits auf ihrer Haut spüren. Silberne Spinnfäden durchzogen den Himmel in Uvellars Nähe, gleichzeitig setzte ein kaum wahrnehmbares Säuseln ein.
    „Sie beginnt, dich zu rufen“, sagte der Erste Wächter.
    „Ja, ich höre sie...“ antwortete Eleeya.
    Die Spinnweben begannen sich zu bewegen und tanzten wie Millionen kleiner Blitze um die beiden Sonnen herum. Gleichzeitig sah man nun zum ersten Mal mit bloßem Auge, das Denaan pulsierte. Man sah es nicht nur, man spürte es sogar. Immer deutlicher war das pochende Whumm, Whumm, Whumm zu vernehmen.
    Eleeya bereitete sich auf den Ruf vor. Sie stellte sich leicht breitbeinig in die meditative Ausgangsstellung. Ihr Kopf hing entspannt nach unten, die weißen Haare wehten im Wind. Langsam hob sie beide Arme seitlich hoch und begann mit der Widerholung ihres letzten Rituals, das sie mit

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