Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
selbstbewusst.
Er legte den Kopf schräg, um mich zu mustern. »Ihr verlangt ja gerade zu nach einer Kostprobe von meiner Entschlossenheit und meiner Nicht-Größenwahnsinnigkeit«, murmelte Alastair.
»Wie meint Ihr das?«, fragte ich stirnrunzelnd.
»Kind, sei still!«, zischte Hippolyta.
Alastair lachte, als er ihre Worte hörte. »Sieh mal einer an, die große Königin ist doch besorgt. Ihr solltet auf sie hören, Ashlyn. Sie hat so viel mehr Lebenserfahrung als Ihr. So weiß sie zum Beispiel, dass ich Unhöflichkeiten mir gegenüber nicht toleriere und es hasse, wenn man mich unterschätzt …«
Lässig wandte er sich von mir ab.
»Lykos?«, sagte er nach einigen Sekunden zu einem der hünenhaften Wasserflüsterer. »Lykos, wie wäre es, wenn du uns einmal zeigst, was du von dem General der Leibwache unserer Königin hältst?«
»Es ist mir eine Ehre, Herr …«, erwiderte dieser mit einem tiefgründigen Lächeln.
Alastair verschränkte fast schon gelangweilt die Arme vor seinem Körper, während er hinter den knienden Dracion trat.
Dracion verdrehte seinen Kopf, um hinter sich zu blicken. Auch ich verfolgte Lykos’ Bewegungen.
Und dann hielt ich den Atem an.
In Lykos’ Hand materialisierte eine Waffe. Nein, das war falsch – die Moleküle des Wassers setzten sich innerhalb von wenigen Augenblicken zu einem Schwert aus Eis zusammen, das sich perfekt in die Hand von Lykos einfügte. Die Klinge war spitz, viel Spitzer als Eiszapfen, und ich wusste, dass das Eis auch viel stabiler war.
Man zerrte Dracion tiefer nach unten, bis sein Gesicht knapp über dem silbernen Boden war. Seine Atmung ging rasselnd.
Was …? Was sollte Lykos nun tun …?
Oh Gott, nein …
»Das ist doch der Tod, der eines Soldaten würdig ist, nicht wahr?«, er setzte die Eisklinge am Nacken des bebenden Dracion an.
»Schaut gut hin, Ashlyn. Eure Ungläubigkeit und Unverschämtheit ist es, was dies hier zur Folge hat.«
»Seid Ihr wahnsinnig, Alastair? Hört auf!«, verlangte ich, als mir klar wurde, dass Alastair es ernst meinte.
Und Alastair lachte. Er lachte leise, kaum zu hören, aber doch war dieses Lachen der Auslöser dafür, dass mir bewusst wurde, dass die Situation viel, viel schlimmer war, als ich eben noch geglaubt hatte. Ich hatte gedacht, dass es hier unten in Azulamar allerhöchstens einen wildromantischen Kampf von Fabelwesen geben könnte, in dem immer das Gute siegte. Aber jetzt kroch eine Angst meine Knochen herauf, die mir selbst von Gregory und Skelter nicht bekannt war. Sie war etwas ganz anderes. Ich hatte mich bei Gregory darauf fixiert, dass er unsere Liebe verhindern wollte, dass er aus absolut bösen, verwirrten Beweggründen handelte.
Alastair war ganz anders. Er war viel kühler und berechnender, als man es bei seinem sanften, schmeichelnden Antlitz, das er der Welt zeigte, vermutet hätte.
Lykos hob nun die schreckliche Waffe an, um sie sogleich mit voller Geschwindigkeit in Dracions Hals zu rammen.
»Nein!«, schrie ich und stürzte vorwärts. Man hatte eine derartige Reaktion wohl vermutet, denn sogleich sprangen mir zwei Wasserflüsterer in den Weg, um mich aufzuhalten. Doch nicht ihre Arme waren es, die mich grob zurückrissen – sondern die Alastairs.
Der Schmerz, der sofort wieder durch meinen Körper jagte, setzte erst ein, als mit einem Mal die Eiswaffe zerbarst und sich in Tausend kleine Splitter auflöste, zu klein, um Dracion oder jemand anderen zu verletzen.
Doch dann kam er, der Schmerz, er strömte heiß und unbezwingbar durch meine Adern, verbreitete sich von meinem Herzen durch den ganzen Körper und wurde zu einer einzigen pulsierenden Wunde, dort, wo Alastairs Finger meine Handgelenke umschlossen hielten.
Jemand stieß einen erstickten Schrei aus, doch ich war es dieses Mal nicht. Alastair schubste mich von sich weg und schien sich nicht recht entscheiden zu können, ob er nun erst verwirrt über Dracions Überleben oder erschreckt von dem Schmerz sein sollte.
»Wie … wie habt Ihr das gemacht …?«, brachte er hervor.
Doch ich war ebenso sprachlos.
Ich hatte mich in dem Moment, in dem Dracion sterben sollte, mit aller Macht gegen diese Vorstellung aufgelehnt. Das Blitzen des Eises war noch immer in meinen Augen, aber auch das Knirschen, als es brach, in meinen Ohren. Ich wusste nicht, wie ich es geschafft hatte. Es war eine instinktive, emotionale Handlung gewesen, nur innerlich. Ich hatte es geschafft, zu Eis gefrorenes Wasser zu zertrümmern, allein durch meinen
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