Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
allem Menschen, die mein Leben ausgemacht hatten. Nun wollte er Ashlyn. Ich spürte es so deutlich, als stünde Alastair direkt vor mir und spräche mit mir. Er wollte sie – tot oder lebendig. Aber vor allem war es ihm wichtig, ihren Willen zu brechen.
Ich schloss meine Augen und erst dann wurde mir klar, dass ich auf dem Boden lag, mit von mir gestreckten Armen und Beinen. Wieder einige Sekunden später nahm ich das Rütteln war, das von Paradise’ Händen ausging. Und dann – dann konnte ich die Augen erneut öffnen und dieses Mal war ich wieder in der Gegenwart. Die Verbindung zu Ashlyn jedoch blieb bestehen, zwar unterschwellig und minder stark, doch ihre Existenz ließ sich nicht abstreiten. Ruckartig setzte ich mich auf.
»River, was ist los mit dir? Bist du verletzt? Oder krank?«
»Nein.« Dieses Wort glitt wie der Atem aus mir heraus. »Ich weiß nur endlich, was wirklich passiert ist. Und was ich zu tun habe …«
Ich drehte mich zu Paradise um, griff sie an ihren Schultern und sah ihr starr in die Augen. »Der Anschlag auf Claude, deinen Vater Eaden und deine Mutter wurde von Alastairs Wasserflüsterern verübt. Um genau zu sein – Selene war es, die ihn geplant und zur Ausübung gebracht hat, aber diese Tat hat Alastair jeden Skrupel genommen.«
Paradise blickte mich verstört an.
»Woher weißt du das?«
»Alastair scheint Ashlyn einen kurzen Einblick in seine Erinnerungen gewährt zu haben – warum auch immer. Und unsere Verbindung war stark genug, dass sie mir die Bilder übertragen konnte.«
»Bist du sicher, dass du nicht fantasierst?«, antwortete Paradise skeptisch.
»Ich habe keine Halluzinationen, Paradise. Ich bin absolut klar …«, flüsterte ich, ließ nun meine Hände sinken und erhob mich langsam. Ich würde sie herausholen. Und ich würde auch Rache an Alastair üben – aberalles zu seiner Zeit. Meine Prioritäten hatte ich schon vor einiger Zeit gesetzt, und an ihrer Spitze stand Ashlyn, auch wenn das bedeutete, eventuell Azulamar und meine Rache an Alastair zu gefährden.
Ich wandte mich zum Meer und konnte die stille Übereinkunft von Ashlyn und mir wieder spüren.
Halte durch, Ashlyn. Ich komme …
Die Tage vergingen ohne ein Lebenszeichen von River.
Ich sah Alastair nur selten, fühlte mich aber von dem schwarzherzigen Marianer ständig beobachtet. Seine Präsenz war beeindruckend, aber auch beängstigend, denn egal, wohin ich meinen Blick wandte, wenn ich nach draußen starrte, schienen mir seine Augen entgegenzuleuchten. Erst wenn ich genauer hinsah, konnte ich erkennen, dass er nicht dort stand und auch nirgendwo sonst.
Aber doch war er unterschwellig bei mir.
Der einzige Trost war, dass ich River gespürt hatte, tief in mir. Ich wusste, dass er mich nicht aufgegeben hatte – und das verlieh mir die Kraft weiterzumachen.
Mittlerweile trug ich die Kleidung der Marianer, obwohl es mich anwiderte, etwas anzuziehen, was Alastair als schön empfand. Ich muss gestehen, dass sein Geschmack nicht der schlechteste war, doch die Vorstellung, wie eine kostbare Puppe von ihm die Kleider ausgewählt zu bekommen, war für mich eine Zumutung.
Alastair hatte ein Faible für königliche Stoffe, fließend und einfarbig, die sich damit der Farbenfreudigkeit der Kleidung der anderen Marianer nicht anpassten. Dennoch war alles, was ich tragen sollte, schön und mit Detailverliebtheit angefertigt worden. Winzige glitzernde Steine, Hunderte von Perlen, schimmernde Stickereien und raffinierte Schnitte verwandelten mich immer wieder aufs Neue in das Abbild der Königin, die ich auf Alastairs Wunsch hin sein sollte.
Ich kannte ihn mittlerweile so gut, um zu wissen, dass er süchtig nach Schönheit war, genauso wie nach Macht. Für ihn gehörten diese beiden Faktoren beinahe zusammen. Er liebte den Prunk und inszenierte sich selbst inmitten von düsterer Eleganz. Seine hohen Wangenknochen, die narbenartigen Kiemen, das schwarze, flatterige, glänzende Haar und der Blick aus dunklem Eis verliehen ihm die Ausstrahlung einer Raubkatze oder eines Wolfes. Alastair hatte so viele Fehler und Schwächen in sich, aber es war schier unmöglich, an ihnen zu nagen.
Diese Selbstherrlichkeit hätte ihm das Genick brechen sollen, doch nichts dergleichen geschah. Er genoss die Aufmerksamkeit und die Furcht, die ihm entgegengebracht wurde, sah sich selbst als rechtmäßigen Tyrannen und sonnte sich im Licht der furchtbaren Rache, die er genommen hatte. An den Personen, die er für alles Schlechte
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