Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
während ich noch über River nachdachte, schlief ich ein.
Am Morgen fühlte ich mich müde und geschlaucht, und am liebsten wäre ich einfach zu Hause geblieben, aber dann hätte ich wohl peinliche Fragen über mich ergehen lassen müssen, warum es mir schlecht ging.
Stattdessen rief ich meinen Dad an, erreichte ihn aber nicht. So wie ich ihn kannte, hatte er wohl eher die ganze Nacht in seinem Labor verbracht und sich dort in die neuesten Forschungsergebnisse vertieft, um morgens verkrampft und hungrig neben einer Tasse kalten Kaffees aufzuwachen, die er auch problemlos leerte, kurz duschen ging und dann weiterarbeitete.
Nach meiner Mutter hatte mein Vater nie wieder eine Freundin gehabt, jedenfalls keine, die er mir je vorgestellt hatte. Und ich war mir sicher, er hätte das getan, wenn es eine gegeben hätte. Genau wollte ich es aber gar nicht wissen. Sicher, manchmal glaubte ich, dass es besser für ihn wäre, wieder ein richtiges Zuhause zu haben, wo er sich auffangen lassen konnte, wenn es Stress gab. Aber als ich ihn das letzte Mal vor einigen Wochen gesehen hatte, war es ihm – bis auf eine akute Übermüdung – sehr gut gegangen.
Also musste unser Telefonat warten, und ich quälte mich unter die Dusche und danach in die Schule, wo alles genauso verlief wie die letzten Tage.
Der Unterricht neben River verlief schweigend. Ich hatte mich damit langsam abgefunden, ihn aber noch einmal genauer gemustert – es bestand wirklich keinerlei Ähnlichkeit zwischen seinem Vater und ihm. Er musste viel von seiner Mutter haben. Ob die auch solche eisblauen Augen gehabt hatte?
Denn genau das war der Farbton, den seine Augen an diesem Tag trugen. Mir erschien es so, als würden sie sich regelmäßig ein wenig verändern. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass das Wetter wieder viel besser geworden war und sich ab und zu die Sonne in Rivers Gesicht fing. Ich hoffte, dass er nicht bemerkte, wie ich ihn aus den Augenwinkeln ab und zu beobachtete, aber manchmal drehte er sich so schnell zu mir um, dass ich mir fast sicher war, dass er es gemerkt haben musste.
In der Pause saß er allein, wie eh und je, er aß und trank nichts. Doch anstatt die Augen geschlossen zu halten wie neulich, richtete er sie nun starr auf die gegenüberliegende Wand und blendete uns anderen aus.
Wenn ich ihn ansah, kamen mir die Gespräche, die Mandy und die anderen führten, so schrecklich lächerlich vor. Irrte ich mich, steigerte ich mich nur in etwas hinein, oder brannte hinter seinem schönen Gesicht tatsächlich ein großer Schmerz? Was hatte er erlebt, warum war er nur so geworden, wie er war?
Doch ich spürte, dass ich dieses Rätsel nicht lösen würde. Denn River schien es zu mögen, dass man ihn nicht kannte – und damit musste ich mich wohl abfinden.
Über den restlichen Tag zu erzählen, wäre wohl schlichtweg sinnlos, weil einfach gar nichts passierte.
Zu Hause angekommen, packte ich meinen Bikini, Handtuch und andere Kleinigkeiten für den Bootsausflug zusammen, die ich am nächsten Tag brauchen würde, konzentrierte mich auf meine Hausaufgaben und ging wieder recht früh zu Bett. Ich war erleichtert, weil ich wusste, dass das Wochenende bald bevorstehen würde und ich Zeit bekam, alles zu verarbeiten.
»Ihr wirkt unruhig, Herrin. Ist auch wirklich alles in Ordnung?«, fragte das junge Mädchen und sah die Frau, die schon die ganze Zeit ins Leere starrte, besorgt an.
Diese antwortete erst mit einiger Verzögerung: »Oh, Verzeihung, hattest du etwas gesagt, meine Liebe?«
»Nichts, Herrin, ich mache mir nur etwas Gedanken. Ihr seid so still. Geht es Euch nicht gut?« Das Mädchen faltete besorgt die Hände im Schoß.
Ein müdes, sanftes Lächeln zauberte sich auf die faltigen Gesichtszüge der älteren Dame.
»Es ist lieb, dass dich sorgst, aber es ist auch vollkommen unbegründet und unnötig. Mir geht es wunderbar, es ist nur …«
»Ja, Herrin?«
»Es ist eher der Prinz, der mir Sorgen bereitet. Ich bin heute Morgen aufgewacht und mein Gefühl sagte mir, dass heute ein schwarzer Tag werden würde.«
»Der Prinz ist doch nicht in Gefahr?« Die Stimme des Mädchens zitterte leicht.
»Aber nein. Das glaube ich nicht. Aber irgendetwas ist bei ihm aus dem Gleichgewicht geraten, das fühle ich ganz deutlich. In Gefahr wird er nicht sein. Du weißt, er ist mittlerweile sehr verantwortungsbewusst und wird auf sich selbst aufpassen können.«
Auch der folgende Vormittag begann unspektakulär, bis es in der Pause
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