Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
gleiten.
Perplex sah ich zu, wie es ihm mühelos gelang, einen nach dem anderen zu entfernen. Behutsam legte Ribbon die Stäbe ins Gras neben uns, warf einen knappen Blick hinein und erklärte: »Ein Gang des Lüftungsschachts geht nach oben, der ist für die Versorgung des Erdgeschosses zuständig. Ein Schacht verläuft parallel dazu, ein paar Meter weiter unten. Du musst den unteren nehmen und bei irgendeinem Gitter wieder aussteigen.«
»Aber – das Gerät ist für drinnen eindeutig zu laut.«
»Dafür kannst du den Schraubenzieher verwenden. Drinnen konnte nichts verrosten oder durch die Witterung aneinandergeschweißt werden«, sagte Ribbon leise und drückte mir zusätzlich zu der Taschenlampe noch einen Schraubenzieher in die Hand.
»Willst du das wirklich?«, fragte er noch einmal.
»Wäre ich sonst hier?«
»Bist mutig, Kleines, das muss ich dir lassen.« Er knuffte mich sanft in die Seite, dann räusperte er sich betont männlich. »Viel Glück.«
Ich atmete tief ein und spähte in den Schacht.
Wenigstens hatte ich keine Klaustrophobie und ich war einigermaßen gelenkig, aber im Schulsport hatte ich Übungen, bei denen es auf absolute Körperspannung ankam, nie gut gekonnt.
Die Vorstellung, in dem engen, lichtlosen Schacht stecken zu bleiben und dort drin, eingeengt von vier Metallseiten, zu ersticken, war noch furchtbarer, als noch einmal mit Ludovic Meyers im Auto zu sitzen.
»Auf geht’s«, murmelte ich.
River, gib mir Kraft. Halte durch. Ich komme.
Ein letztes Mal atmete ich durch, dann ließ ich mich auf Knien mit den Armen und dem Kopf zuerst in den Schacht gleiten. Ich stützte mich auf meine Unterarme, die angeknipste Taschenlampe neben mir herschiebend.
Ihr Lichtkegel nützte praktisch überhaupt nichts.
Behutsam ließ ich meine Fingerspitzen über meinen Untergrund, über das Metall, gleiten, robbte ein Stückchen weiter nach vorne, dann erkannte ich, dass es nun tatsächlich abwärts ging. Und zwar um neunzig Grad, steil nach unten.
Der Gang war viel zu eng, um mich drinnen umzudrehen, und auch war der Schacht zu klein, um einfach noch mal herauszuklettern und mit denFüßen zuerst hinabzurutschen. Ich hatte nicht geglaubt, gleich am Anfang solche Schwierigkeiten zu bekommen.
Ich überlegte, was wohl das Schlaueste war.
Warum wurden solche Sachen in Krimis nie gezeigt?
Ich krabbelte weiter vorwärts, immer noch tastend, und leuchtete dann mit der Taschenlampe nach unten.
Ganz so tief, wie ich erwartet hatte, ging es gar nicht hinunter.
Oh nein, ist das der einzige Weg?
Anscheinend ja. Ich nahm meinen Mut zusammen und ließ mich ganz vorsichtig mit dem Oberkörper nach unten gleiten, die Hände nach vorne gereckt, die Füße hakte ich, so gut es ging, in dem oberen Gang fest, um nicht abzurutschen und herunterzufallen.
Noch wenige Zentimeter – es klappte! Meine Fingerspitzen stießen unten an, kurze Zeit später war es mir möglich, meine ganze Handfläche aufzusetzen und endlich meine Füße zu lösen und nachzuziehen, während ich den Gang schon weiter durchquerte.
Die erste Hürde hatte ich genommen, Erleichterung durchströmte mich. Mir kam es so vor, als würde der Gang ein wenig enger werden, was wohl daran lag, dass meine Nervosität stieg – oder man hatte ihn tatsächlich enger gestaltet, weil ich mich nun direkt über dem Keller befand.
Die Sekunden wurden zur Ewigkeit, bis der Lichtstrahl der Taschenlampe endlich auf eine Unebenheit stieß. Atemlos robbte ich weiter. Tatsächlich. Das Gitter!
Ribbon hatte recht gehabt: Mit dem Schraubenzieher drehte ich die Schrauben heraus, eine nach der anderen, hob dann das Gitter an und legte es neben die Öffnung.
Ein blasser Lichtschein leuchtete mir entgegen, er kam jedoch nicht direkt aus dem Raum. Ich erkannte schemenhaft ein paar Kartons, die direkt unter dem Luftschacht standen, und zwar einfach ideal, um darauf zu landen.
Sie waren hoch gestapelt und so wiederholte ich das Procedere, schob mich durch die Öffnung, stützte mich mit den Händen ab, allerdings glitt ich dieses Mal weg und stürzte. »Autsch …«, machte ich leise.
Ich hatte mich an der Hand geschnitten, aber es war nur eine kleine Wunde. Ich wischte das Blut an meiner Hose ab und richtete mich dann auf.
Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich hatte mich nicht geirrt! Die Tür war zur Hälfte aus Glas gefertigt, und das Licht kam von draußen. Bei meinem Sprung aus dem Lüftungsschacht war ich ganz eindeutig in einer Art Lagerraum
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