Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
Stunde weg.«
»Eine Stunde?«, fragte ich verwundert. So lange hatte ich geduscht? Mir war das gar nicht bewusst gewesen. Bevor er auch noch verwirrt war, fügte ich rasch hinzu: »Oh, ja. Ich hatte eine Dusche bitter nötig.«
Ich lachte, um die Situation herunterzuspielen. Merkwürdig. Vorhin war er derjenige gewesen, der das probierte.
»Alles in Ordnung?«, hakte Ribbon nach.
»Natürlich«, log ich munter. »Ich würde mich nur gerne anziehen.«
»Oh – ja. Sicher. Ich hab dir hier was rausgelegt …« Er erhob sich und hielt ein paar Kleidungsstücke in die Höhe, die auf den ersten Blick wie sehr aufwendige Dessous aussahen.
Ich musste lachen.
»Für wen waren die ursprünglich bestimmt?«, erkundigte ich mich und hielt einen schwarzen, perlenbestickten Stringtanga hoch.
»Für meine Exfreundin. Ein Weihnachtsgeschenk, aber ich habe im November letzten Jahres Schluss gemacht und dabei vergessen, dass ichihr noch was gekauft hatte. Keine Angst, ist ungetragen. Und das hier hab ich auch noch …« Er drehte sich kurz weg, um ein schneeweißes Kleid hervorzuziehen. »Ich denke, es wird dir passen.«
Ich griff danach, fühlte, dass es reine Seide und in Wahrheit ein sehr schönes Nachthemd war.
»Danke«, sagte ich leise und kam mir einmal mehr komisch vor, bei einem Verbrecher in der Suite eines gefährlichen Clubs zu übernachten und mir auch noch Klamotten von ihm auszuleihen.
»Bist du dir sicher, dass wirklich alles in Ordnung ist? Ich habe immer das Gefühl, dass du mir noch etwas verschweigst«, fragte Ribbon behutsam nach.
»Ganz sicher«, wisperte ich.
Im nächsten Moment hatte mich Ribbon in die Arme geschlossen.
Es war die Umarmung eines Freundes und fühlte sich so an, als wäre Ribbon der große Bruder, den ich immer gerne gehabt hätte. Er streichelte mein feuchtes Haar, gab mir dann einen spielerischen Klaps auf den Hinterkopf, sodass ich an seiner Schulter lachen musste, aber vor allem hielt er mich in den Armen, fest und so, als ob er mich so lange halten würde, wie ich es mir wünschte.
Er flößte mir Vertrauen nach dem verwirrenden Erlebnis im Badezimmer ein und genau das war es, was ich von ihm wollte.
Schließlich entließ er mich aus der Umarmung. »River kann froh sein, jemanden wie dich zu haben.«
»Danke.«
Endlich verließ Ribbon das Zimmer, und ich wählte nur eine schlichte Unterwäsche und das Nachthemd aus, um mich schließlich unter die Decke zu verkriechen. Ich löschte das Licht und hörte wieder den dumpfen, abgeschotteten Lärm des Clubs. Sehr lange würde das wohl nicht mehr so weitergehen, da war ich relativ sicher, aber einschlafen konnte ich trotzdem nicht – obwohl ich so müde wie noch nie zuvor in meinem Leben war.
Ich fand selbst keine Kraft mehr, mich unruhig hin und her zu werfen, sondern starrte einfach regungslos mit brennenden geöffneten Augen in die Dunkelheit des Raumes.
Ein Stoßgebet gen Himmel war es schließlich, was mich dazu brachte, endlich ein wenig loszulassen – und fest und traumlos zu schlafen.
River.
Bald, bald, bald. Nur noch ein wenig Geduld. Ach, wie er Geduld verabscheute. Wer zu geduldig war, der verschwand in der Versenkung, der verpasste seine Chance.
Er hatte Jahrzehnte hindurch gewartet, gelauert auf die passende Gelegenheit. Manchmal waren ihm die Tage schwer und endlos vorgekommen, als würden sich selbst die Gestirne gegen ihn verschworen haben.
Mehrmals war er kurz davor gewesen aufzugeben, und mindestens ebenso oft hätte er beinahe seiner Ungeduld nachgegeben.
Doch er hatte es nicht.
Die Zeit war verstrichen, doch ohne ihn zu berühren. Er war stärker als je zuvor, ohne auch nur ein geringes Zeichen von Alterung aufzuweisen. Die Gelegenheit war mit ihr gekommen, mit diesem Mädchen. Ihr Name spielte keine Rolle. Aber sie schon. Jemandem wie ihr war er noch nie begegnet.
Oh, nur Geduld. Nur Geduld …
Er konnte fühlen, dass eine Ära sich gen Ende neigte. Die Ströme des Todes und des Lebens mündeten in seinem Herzen, ließen sich von seinen Fingern lenken. Mehr hatte er nie gewollt. Nur das, und die Macht, die ihm zustand.
11. Kapitel
S IEBEN S TICHE
I ch schlief den halben Tag lang, und es war bereits später Nachmittag, als ich endlich wach wurde. Erst jetzt gestand ich mir ein, wie sehr die vergangenen Tage bereits an meinen Kräften gezehrt hatten. Und doch hatte ich die schwierigste Phase noch vor mir – denn ich war wild entschlossen, River noch in der gleichen Nacht aus dem Labor zu
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