B00B5B7E02 EBOK
zögerte und für Vorsicht warb, wurde währenddessen ›widerlegt‹. Die vorsichtigen Typen wurden zusehends eingeschüchtert und bei Beförderungen übergangen. Sie verloren ihre Macht über das Kapital. Das geschah jeden Tag in fast jeder Finanzinstitution, bis wir am Schluss eine sehr spezielle Art von Menschen hatten, die die Dinge lenkten.« 10
Vincent Kaminski, Professor an der Business School der Rice University in Houston, Texas, und ehemaliger leitender Forschungsdirektor bei Enron, dem Unternehmen, das 2001 als Resultat unverantwortlicher Geschäftspraktiken Konkurs anmelden musste, erzählte der Washington Post eine ähnliche Geschichte von einer Unternehmenskultur, in der aggressive Hasardeure, verglichen mit den vorsichtigen Introvertierten, zu viel Ansehen genossen. 11 Kaminski, ein leiser und besonnener Mann, war eine der Lichtgestalten im Enron-Skandal. Er versuchte wiederholt und eindringlich, das Top-Management darauf aufmerksam zu machen, dass das Unternehmen riskante Geschäfte tätigte, die sein Überleben gefährden könnten. Als man nicht auf ihn hörte, weigerte er sich, diese gefährlichen Transaktionen zu genehmigen, und ordnete an, dass sein Team nicht an ihnen mitarbeitete. Die Firma entzog ihm daraufhin die Befugnis, die Geschäfte des Unternehmens zu überprüfen. »Es gab Beschwerden, dass Sie die Leute nicht bei den Transaktionen unterstützen, Vince«, soll ihm der Präsident von Enron gesagt haben. »Stattdessen spielen Sie die ganze Zeit den Polizisten.« Dann nach einer Pause: »Wir brauchen keine Polizisten, Vince.« 12
Als die Kreditkrise 2007 das Überleben einiger der größten Banken an der Wall Street gefährdete, sah Kaminski dasselbe noch einmal geschehen. »Es ist wohl so, dass die Dämonen von Enron nicht allesamt ausgetrieben wurden«, erklärte er der Washington Post damals im November. Seiner Auffassung nach bestand das Problem nicht nur darin, dass viele Menschen nicht die Risiken durchschauten, die die Banken eingingen. Diejenigen, die sie durchschauten, wurden auch noch konsequent ignoriert – teilweise weil sie die falsche Mentalität hatten. »Wie oft hat mir ein Energiemarkthändler gegenübergesessen, und wenn ich gesagt habe: ›Ihr Portfolio wird implodieren, falls eine bestimmte Situation eintritt‹, brüllte er mich an, bezeichnete mich als Idioten und behauptete, eine solche Situation werde nie eintreten. Das Problem ist, dass Sie auf der einen Seite einen sehr erfolgreichen Geschäftsmann sitzen haben, der der Firma viel Geld einbringt und wie ein Superstar behandelt wird, und auf der anderen Seite haben Sie einen introvertierten Intellektuellen. Wer wird Ihrer Meinung nach wohl gewinnen?«
Aber was geht im Kopf von jemandem vor, der sich angesichts überwältigender Risiken immer weiter vorwagt? Wie konnte Janice Dorns Klient Alan die lauten Warnsignale übersehen, die ihn darauf hinwiesen, dass er 70 Prozent seiner Ersparnisse verlieren könnte? Was veranlasst einige Extravertierte so zu handeln, als ob es Furcht, Unsicherheit und Bedenken nicht gäbe?
Eine der Antworten darauf liefert eine faszinierende Reihe von Untersuchungen, die von dem Psychologen Joseph Newman von der Universität Wisconsin geleitet werden. 13 Stellen Sie sich vor, Sie wären eine der Versuchspersonen in einem von Newmans Experimenten, in dessen Mittelpunkt ein Spiel steht. Je mehr Punkte Sie dabei erreichen, desto mehr Geld gewinnen Sie.
Zwölf verschiedene Zahlen tauchen jeweils nacheinander in zufälliger Reihenfolge auf einem Computerbildschirm auf. Sie bekommen wie ein Teilnehmer an einer Spielshow einen Knopf in die Hand gedrückt, den Sie nach Belieben drücken können, sobald eine Zahl erscheint. Wenn Sie bei einer »guten« Zahl auf den Knopf drücken, machen Sie Punkte, wenn Sie bei einer »schlechten« Zahl drücken, verlieren Sie Punkte, und wenn Sie gar nicht drücken, passiert nichts. Der Punktestand wird immer sofort nach dem Drücken angezeigt. Durch Ausprobieren finden Sie heraus, dass vier eine gute Zahl ist und neun nicht. Wenn also das nächste Mal die Zahl Neun auf dem Bildschirm erscheint, drücken Sie den Knopf nicht.
Manchmal drücken Menschen dennoch bei »schlechten« Zahlen den Knopf, auch wenn sie es besser wissen sollten. Extravertierte, besonders hochimpulsive Extravertierte, neigen zu diesem Fehler stärker als Introvertierte. Warum? Nach den Worten der experimentellen Psychologen John Brebner und Chris Cooper, die nachgewiesen haben,
Weitere Kostenlose Bücher