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wenn Sie introvertiert und relativ immun gegen Exzesse von Belohnungssensitivität sind? Auf den ersten Blick scheint die Forschung über Dopamin und Euphorie zu implizieren, dass Extravertierte und nur Extravertierte aufgrund der Aufregung, die sie aus dem Verfolgen ihrer Ziele beziehen, hoch motiviert sind, hart zu arbeiten. Als Introvertierte verblüffte mich dieser Gedanke, als er mir das erste Mal begegnete. Er spiegelte nicht meine eigene Erfahrung wider. Ich liebe meine Arbeit, und das war schon immer so. Ich wache morgens auf und freue mich darauf, an die Arbeit zu gehen. Was treibt also Menschen wie mich an?
Dazu fiel mir folgende Antwort ein: Selbst wenn die Theorie, dass Extravertierte belohnungssensitiv sind, sich als korrekt erweist, kann man nicht behaupten, dass alle Extravertierten immer empfänglich für Belohnungen und gleichgültig gegenüber dem Risiko oder alle Introvertierten immer gleichgültig für Anreize und wachsam gegenüber Gefahren sind. Seit den Zeiten von Aristoteles haben Philosophen beobachtet, dass diese beiden Verhaltensweisen – sich Dingen zuzuwenden, die Lust versprechen, und jene zu vermeiden, die Schmerz verursachen – der gesamten menschlichen Aktivität zugrunde liegen. Vom Typ her tendieren Extravertierte dazu, nach Belohnung Ausschau zu halten, und Introvertierte, bedrohungssensitiv zu sein, aber jeder Mensch hat seine ihm eigene Mischung aus Hinwendungs-und Vermeidungsverhalten, und manchmal ist die Kombination je nach Situation verschieden.
Allem Anschein nach arbeiten das Belohnungs- und das Bedrohungssystem des Körpers überdies unabhängig voneinander, sodass dieselbe Person generell empfänglich für Belohnung und Bedrohung sein kann.
Wenn Sie prüfen wollen, ob Sie belohnungs- oder bedrohungsorientiert sind oder beides, kreuzen Sie im folgenden kleinen Test die Aussagen an, die auf Sie zutreffen.
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1.
Wenn ich etwas bekomme, was ich will, bin ich begeistert und voller Energie.
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2.
Wenn ich etwas will, tue ich gewöhnlich alles, um es zu bekommen.
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3.
Wenn ich die Chance sehe, etwas zu bekommen, was mir gefällt, gerate ich sofort in Aufregung.
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4.
Wenn mir etwas Gutes widerfährt, hat es eine starke Wirkung auf mich.
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5.
Ich habe sehr wenig Ängste, verglichen mit meinen Freunden.
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6.
Kritik und Schelte verletzen mich.
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7.
Ich bin besorgt oder aufgewühlt, wenn ich glaube oder weiß, dass jemand wütend auf mich ist.
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8.
Wenn ich glaube, dass etwas Unerfreuliches passieren wird, werde ich gewöhnlich sehr aufgeregt.
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9.
Ich bin besorgt, wenn ich glaube, dass ich etwas Wichtiges nicht gut gemacht habe.
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10.
Der Gedanke, dass ich Fehler machen könnte, macht mir zu schaffen. 18
Wenn Sie die Fragen 1–5 als zutreffend angekreuzt haben, sind Sie belohnungsorientiert. Wenn Sie hingegen die Fragen 6–10 als zutreffend angekreuzt haben, sind Sie bedrohungsorientiert. Wenn Sie mehr Fragen aus der einen oder anderen Gruppe angekreuzt haben, tendieren Sie mehr zu der einen oder anderen Verhaltensweise. Haben Sie gleich viele Fragen aus beiden Gruppen angekreuzt, sind vermutlich beide Persönlichkeitsmerkmale bei Ihnen gleichwertig vertreten.
Meiner Ansicht nach liefert möglicherweise eine ganz andere Forschungsrichtung eine wichtige Antwort auf die Frage, warum auch introvertierte Menschen ihre Arbeit lieben: die Untersuchungen des einflussreichen Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi über einen Zustand, den er »Flow« nennt. Flow ist ein optimaler Zustand, in dem man mit seinem Tun eins wird – ganz gleich, ob es sich um Langstreckenschwimmen oder Gedichteschreiben, Sumo oder Sex handelt. In einem Zustand des Flows sind wir weder gelangweilt noch ängstlich, noch stellen wir unsere Eignung infrage. Stunden vergehen, ohne dass wir es merken.
Der Schlüssel zum Flow ist, etwas um seiner selbst und nicht um der Belohnung willen zu tun, die es bringt. Obwohl der Flow nicht von Introversion oder Extraversion abhängt, haben viele der Flow-Erfahrungen, von denen Czikszentmihalyi schreibt, mit einsamen Tätigkeiten zu tun, in denen es nicht um die Suche nach Belohnung geht: lesen, einen Obstgarten pflegen, allein übers Meer zu segeln. Wie er schreibt, tritt der Flow oft unter Bedingungen ein, in denen Menschen »sich in einem Maße unabhängig von ihrer sozialen Umwelt machen, dass sie nicht mehr ausschließlich darauf reagieren, ob sie von ihr belohnt oder bestraft werden. Um eine solche Autonomie zu erreichen, muss ein Mensch
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