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einfach daran, dass die Mathematik in der realen Welt nur sekundäre Hilfestellung bieten kann. Ein weiterer Vorteil unserer Monte-Carlo-Simulationen ist die Tatsache, dass wir dort Ergebnisse erhalten, wo uns die Mathematiker im Stich lassen und uns nicht helfen können. Indem wir die Gleichungen hinter uns lassen, befreien wir uns aus der Falle der unterlegenen Mathematik. Wie ich in Kapitel 3 sagte, ist die Mathematik kaum mehr als eine Denk- und Betrachtungsweise in unserer vom Zufall bestimmten Welt.
Die Wissenschaft der Netze
Untersuchungen zur Dynamik von Netzen schießen in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden. Populär gemacht hat sie Malcolm Gladwells Buch Der Tipping-Point, in dem er einige Aspekte des Verhaltens von Variablen aufzeigt, beispielsweise wie sich Epidemien nach Erreichen eines bestimmten kritischen Niveaus rasend schnell ausbreiten (etwa die Turnschuhmode bei Kids aus der Innenstadt oder die Verbreitung religiöser Ideen. Beim Buchabsatz ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten; er explodiert, wenn ein bestimmtes Niveau an Mundpropaganda überschritten wird.) Warum breiten sich manche Ideologien oder Religionen wie Lauffeuer aus, während andere rasch von der Bildfläche verschwinden? Wie werden Modetrends zum Hit? Wie breiten sich Viren aus? Sobald man die konventionellen Zufallsmodelle verlässt (die Glockenkurven des kartografierten Zufalls), kann etwas Akutes geschehen. Warum erhält der Internet-Server von Google so viele Hits, verglichen mit der Website des amerikanischen Verbandes von Chemieingenieuren im Ruhestand? Mit der zunehmenden Anzahl der Verbindungen in einem Netz steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass jemand seinen Weg dorthin findet. Dadurch erhöht sich dann wieder die Zahl der Verbindungen – insbesondere wenn es keine nennenswerten Kapizitätsbegrenzungen gibt.
Unser Gehirn
Unser Gehirn ist nicht für Nichtlinearitäten geschaffen. Die Menschen glauben, dass bei einer kausalen Beziehung zwischen zwei Variablen ein stetiger Input in eine Variable bei der anderen immer zu einem Ergebnis führen sollte. Unser Gefühlsapparat ist für lineare Ursache-Wirkung-Beziehungen ausgelegt. Wenn man sich beispielweise jeden Tag mit einem Thema befasst, lernt man im Verhältnis zu der dafür eingesetzten Zeit hinzu. Wenn man das Gefühl hat, keine Fortschritte zu machen, fühlt man sich demoralisiert. Die Realität gewährt uns aber nur selten das Privileg einer befriedigenden linearen, positiven und progressiven Entwicklung: Man kann sich ein Jahr lang mit einer Materie beschäftigen und nichts hinzulernen, und wenn man sich bis dahin nicht hat entmutigen lassen und aufgegeben hat, kommt einem plötzlich von einem Augenblick zum anderen eine Erleuchtung. Mein Partner Mark Spitznagel fasst das so zusammen: Stellen Sie sich vor, Sie üben lange Zeit jeden Tag Klavier und beherrschen kaum den Floh-Walzer, doch auf einmal können Sie Rachmaninow spielen. Aufgrund dieser Nichtlinearität können Menschen die Wesensmerkmale seltener Ereignisse nicht verstehen. Dies bringt auf den Punkt, warum einige Wege zum Erfolg nicht zufällig sind, aber nur sehr, sehr wenige Menschen die geistige Ausdauer besitzen, sie zu verfolgen. Wer diesen zusätzlichen Aufwand nicht scheut, wird belohnt. In meinem Beruf hält man vielleicht ein Wertpapier, das von niedrigeren Kursen profitiert, aber bis zum Erreichen eines kritischen Punktes überhaupt nicht reagiert. Die meisten Menschen geben auf, bevor sie den Lohn einheimsen könnten.
Buridans Esel oder die gute Seite des Zufalls
Nichtlinearität bei zufälligen Ergebnissen wird bisweilen als Instrument genutzt, um einen Ausweg aus einer Sackgasse zu finden. Nehmen wir das Problem des »nichtlinearen Anstoßes«. Stellen Sie sich vor, ein ebenso hungriger wie durstiger Esel wird so positioniert, dass er genau gleich weit von einem Futter- und einem Wassertrog entfernt ist. In diesem Szenario würde er sowohl verhungern als auch verdursten, da er nicht entscheiden könnte, ob er zuerst zum Futter oder zum Wasser gehen soll. Lassen wir aber den Zufall eine Rolle spielen, so kann ein zufälliger Schubs, den man dem Esel gibt, ihn einem der beiden Tröge – gleich welchem – näher bringen, so dass er sich gleichzeitig weiter vom anderen entfernt. Das würde ihm sofort aus seiner Sackgasse heraushelfen. Unser glücklicher Esel würde entweder erst seinen Hunger und dann seinen Durst stillen oder umgekehrt.
Der Leser hat zweifellos schon eine
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