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Umgang mit der Ungewissheit sind mir mehr Kurpfuscher untergekommen, die sich als Wissenschaftler ausgaben, als mir lieb ist – insbesondere im Bereich der Wirtschaftswissenschaft. In diesen Reihen findet man auch die größten Narren des Zufalls.
Wir sind hoffnungslos fehlerhaft, zumindest für unser heutiges Umfeld, aber das ist nur für jene Utopisten eine schlechte Nachricht, die an ein idealisiertes Menschenbild glauben. Das heutige Denken stellt zwei polarisierte Menschenbilder einander gegenüber, mit wenigen Zwischentönen. Einerseits sind da der Englisch-Professor am örtlichen College, die Großtante Irma, die stets unverheiratet blieb und reichlich Predigten hält, der Buchautor, der Leitfäden schreibt, wie man in 20 Schritten zum Glück findet und in einer Woche ein besserer Mensch wird. Das bezeichnet man als das utopische Menschenbild im Sinne Rousseaus, Godwins, Condorcets, Thomas Paines oder auch konventioneller normativer Ökonomen (die von uns verlangen, rationale Entscheidungen zu treffen, weil das gut für uns sei). Sie glauben an Vernunft und Rationalität – dass wir auf unserem Weg zu einem besseren Menschen kulturelle Hindernisse überwinden sollten – und meinen, wir könnten unsere Natur beliebig kontrollieren und sie rein per Erlass verwandeln, um unter anderem glücklich und rational zu werden. Im Grunde beinhaltet diese Kategorie auch jene, die Fettleibigkeit zu kurieren suchen, indem sie den Betroffenen sagen, sie sollen gesund leben.
Andererseits gibt es das tragische Menschenbild, das an die Existenz immanenter Begrenzungen und Fehler in unserem Denken und Handeln glaubt und eine Bestätigung dieser Tatsache als Grundlage allen individuellen und kollektiven Handelns verlangt. In diese Kategorie fallen Karl Popper (Falsifikationismus und Misstrauen gegenüber intellektuellen »Antworten«, praktisch gegenüber jedem, der überzeugt ist, etwas mit Sicherheit zu wissen), Friedrich Hayek und Milton Friedman (Misstrauen gegenüber dem Staat), Adam Smith (Intention des Menschen), Herbert Simon (»Bounded Rationality«), Amos Tversky und Daniel Kahneman (Heuristiken und Voreingenommenheiten) und der Spekulant George Soros – um nur einige zu nennen. Am meisten vernachlässigt und missverstanden wurde der Philosoph Charles Sanders Peirce, der hundert Jahre zu früh geboren wurde (er prägte den Begriff der wissenschaftlichen Fehlbarkeit – »fallabilism« – als Gegensatz zur päpstlichen Unfehlbarkeit). Natürlich gehören auch die Thesen in diesem Buch genau zur tragischen Kategorie: Wir sind fehlerbehaftet, und es ist nicht der Mühe wert, diese Fehler zu korrigieren. Wir sind derart mangelhaft und so schlecht für unsere Umwelt gerüstet, dass wir einfach lernen müssen, um diese Fehler herumzuarbeiten. Davon bin ich überzeugt, nachdem ich fast mein ganzes Berufsleben hindurch in einem heftigen Kampf zwischen meinem Gehirn (kein Narr des Zufalls) und meinen Gefühlen (unverbesserliche Narren des Zufalls) zugebracht habe, wobei der einzige Erfolg darin bestand, dass ich meine Emotionen umging, anstatt sie zu rationalisieren. Vielleicht ist es uns nicht gegeben, uns von unserer Menschlichkeit zu befreien; wir brauchen schlaue Tricks, keine bombastische moralisierende Hilfe. Als Empiriker (eigentlich ein skeptischer Empiriker) verachte ich Moralprediger mehr als alles andere auf dieser Erde: Ich frage mich immer noch, warum sie blind an ineffektive Methoden glauben. Ratschläge zu geben bedeutet, dass unser kognitiver Apparat und nicht unsere emotionale Maschinerie eine sinnvolle Kontrolle über unser Handeln ausübt. Wir werden sehen, wie die moderne Verhaltenstheorie dies als völligen Irrglauben bloßstellt.
Mein Kollege Bob Jaeger (er schlug einen entgegengesetzten Weg zu mir ein und war zunächst Philosophieprofessor und dann Börsenhändler) beschreibt eine aussagekräftigere Sichtweise dieser Dichotomie: Es gibt Menschen, die glauben, es gäbe einfache, klare Antworten, und andere, die Vereinfachung ohne gravierende Verzerrung nicht für möglich halten (sein Held: Wittgenstein, sein Schurke: Descartes). Mich fasziniert dieser Unterschied, denn ich meine, dass der Generator des Narren-des-Zufalls-Problems, der irrige Glaube an den Determinismus, unter anderem mit einer solchen Dimensionalitätsreduzierung zu tun hat. So sehr man auch an Vereinfachung glauben mag (»Keep it simple stupid«) – die Simplifizierung ist gefährlich.
Dieser Autor hasst Bücher, deren
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