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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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offenbar vom Gewicht des jahrelangen Zwangs, intelligent und kohärent klingen zu müssen, erstickt fühlte, stellte neben anderen Perlen folgende Forderung:
    Wir verlangen das Recht, uns selbst widersprechen zu dürfen!

Monsieur de Norpois’ Ansichten
    Die Moderne liefert uns eine deprimierende Geschichte. Sich selbst zu widersprechen wird in unserer Kultur als schändlich erachtet – was in der Wissenschaft katastrophale Folgen nach sich ziehen kann. In Marcel Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit kommt ein weitgehend aus dem Dienst zurückgezogener Diplomat vor, Marquis de Norpois, der wie alle Diplomaten vor der Erfindung des Faxgerätes ein Mann des öffentlichen Lebens war, der viel Zeit in Salons verbrachte. Der Erzähler des Romans erlebt, wie sich Monsieur de Norpois bei einem Thema offen widerspricht (irgendeine Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland vor dem Krieg). Als er auf seine zuvor eingenommene Haltung hingewiesen wird, scheint sich Monsier de Norpois nicht daran erinnern zu können. Proust macht sich über ihn lustig:
    Monsieur de Norpois log nicht. Er hatte es einfach vergessen. Man vergisst recht schnell, worüber man nicht tiefgründig nachgedacht hat, was einem von der Nachahmung diktiert wurde, von den Leidenschaften um einen herum. Diese ändern sich, und mit ihnen die eigenen Erinnerungen. Mehr noch als Diplomaten erinnern sich Politiker nicht mehr an Meinungen, die sie zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens vertraten, und ihre Schwindeleien sind eher auf ein Übermaß an Ehrgeiz als auf ein schlechtes Gedächtnis zurückzuführen.
    Monsieur de Norpois wird das Gefühl gegeben, dass er sich der Tatsache schämen muss, zuvor eine andere Meinung vertreten zu haben. Proust berücksichtigt nicht, dass der Diplomat unter Umständen seine Meinung geändert haben könnte. Es wird von uns erwartet, dass wir getreulich an unseren Meinungen festhalten. Sonst werden wir zu Verrätern.
    Meiner Ansicht nach würde Monsieur de Norpois einen guten Börsenhändler abgeben. Einer der besten Händler, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe, Nigel Babbage, besitzt die bemerkenswerte Eigenschaft, in seinen Überzeugungen völlig frei von jeglicher Pfadabhängigkeit zu sein. Es ist ihm nicht im Geringsten peinlich, wenn er irgendeine Währung aus einem rein spontanen Impuls heraus kauft, während er nur wenige Stunden zuvor lautstark seiner Meinung Ausdruck verliehen hatte, dass sie Schwächetendenzen zeigen werde. Wieso hat er seine Meinung geändert? Er fühlt sich nicht verpflichtet, uns das zu erklären.
    Die Person des öffentlichen Lebens, in der dieser Charakterzug am deutlichsten zutage tritt, ist George Soros. Eine seiner Stärken besteht daran, dass er seine Meinung recht schnell ändern kann, ohne die geringste Verlegenheit zu empfinden. Die folgende Anekdote veranschaulicht Soros’ Fähigkeit, seine Meinung im Handumdrehe zu ändern. Der französische Händler und Playboy Jean-Manuel Rozan beschreibt die folgende Szene in seiner Autobiografie (verbrämt als Roman, um Gerichtskosten zu vermeiden). Der Protagonist (Rozan) pflegt in den Hamptons auf Long Island mit Georgi Saulos Tennis zu spielen, einem »älteren Mann mit einem sonderbaren Akzent«, und beginnt dabei mit Diskussionen über die Börse, wobei er anfangs nicht weiß, wie wichtig und einflussreich Saulos in Wirklichkeit ist. An einem Wochenende äußert sich Saulos sehr pessimistisch, mit einer komplizierten Argumentationskette, die für den Erzähler ein Buch mit sieben Siegeln ist. Offenbar setzt er auf Short-Positionen. Ein paar Tage später bildet sich eine starke Marktrallye heraus, und die Kurse steigen auf Rekordniveaus. Der Protagonist macht sich Sorgen um Saulos und fragt ihn beim nächsten gemeinsamen Tennisspiel, ob er Verluste eingefahren habe. »Wir haben einen Riesengewinn gemacht«, sagt Saulos. »Ich habe meine Meinung geändert. Zur Deckung setzten wir aufklare Long-Positionen.«
    Genau dieser Charakterzug wirkte sich einige Jahre später für Rozan negativ aus und kostete ihn beinahe seine Karriere. Soros gab Rozan in den späten achtziger Jahren 20 Millionen Dollar zum Spekulieren (damals eine beträchtliche Summe), was ihm ermöglichte, ein Börsenhandelsunternehmen zu gründen (ich wäre um ein Haar mit hineingezogen worden). Als Soros einige Tage später Paris besuchte, sprachen sie beim Mittagessen über das Börsengeschehen. Rozan merkte, wie Soros sich ganz urplötzlich distanzierte.

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