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Kurz darauf zog er sein gesamtes Geld ab, ohne eine Erklärung dafür zu geben. Was wahre Spekulanten wie Soros auszeichnet, ist die Tatsache, dass ihren Aktivitäten jegliche Pfadabhängigkeit fehlt. Sie fühlen sich in keinster Weise an ihre früheren Handlungen gebunden. Jeden Tag fangen sie mit einem völlig leeren Blatt Papier neu an.
Pfadabhängigkeit von Überzeugungen
Es gibt einen einfachen Test, um die Pfadabhängigkeit von Überzeugungen nachzuweisen. Nehmen wir an, Sie besitzen ein Gemälde, das Sie für 20 000 Dollar gekauft haben, und dank der günstigen Entwicklung auf dem Kunstmarkt ist es jetzt 40 000 Dollar wert. Wenn Ihnen dieses Gemälde nicht bereits gehörte, würden Sie es immer noch zu seinem aktuellen Preis kaufen? Falls nicht, sind Sie, wie man so schön sagt, mit Ihrer Position verheiratet. Es gibt keinen rationalen Grund dafür, ein Bild zu behalten, wenn Sie es zum aktuellen Marktpreis nicht kaufen würden – abgesehen von emotionalem Engagement. Viele Menschen sind bis zum Totenbett mit ihren Überzeugungen verheiratet. Wenn eine Sequenz von Thesen von der ersten Idee dominiert wird, nennt man sie pfadabhängig.
Es gibt Grund zu der Annahme, dass wir aus einem evolutionären Zweck heraus so programmiert sind, dass wir beharrlich an Ideen festhalten, in die wir Zeit investiert haben. Stellen Sie sich vor, welche Konsequenzen es hätte, wenn jemand außerhalb des Börsenparketts die Eigenschaften eines guten Händlers an den Tag legen und jeden Morgen um 8 Uhr sich die Frage stellen würde, ob er weiter mit seiner Gattin zusammenleben solle oder ob es nicht besser für ihn oder auch für sie wäre, Gefühle in jemand anderen zu investieren. Oder stellen Sie sich einen Politiker vor, der so rational denkt und handelt, dass er während des Wahlkampfs seine Meinung zu einem bestimmten Thema ändert, weil ihm neue Informationen vorgelegt wurden, und plötzlich auch zu einer anderen Partei überwechselt. Vor diesem Hintergrund wären rationale Anleger, die ihre Transaktionen richtig einschätzen, geradezu eine genetische Kuriosität – vielleicht eine seltene Mutation. Forscher haben festgestellt, dass rein rationales Verhalten bei Menschen auf eine Fehlfunktion des Corpus amygdalideum (der graue »Mandelkern« vor dem Unterhorn des Seitenventrikels des Gehirns) zurückzuführen sein kann, die emotionale Bindungen hemmt, was den Probanden buchstäblich zu einem Psychopathen macht. Könnte Soros einen genetischen Defekt haben, der ihn bei der Entscheidungsfindung rational vorgehen lässt?
Nur wenige Menschen sind tatsächlich nicht mit ihren Ideen verheiratet. Wie bei Kindern unterstützen wir jene, in die wir viel Nahrung und Zeit investiert haben, bis sie in der Lage sind, unsere Gene weiter fortzupflanzen. Ebenso machen wir es mit Ideen. Ein Universitätsprofessor, den eine bestimmte Meinung berühmt gemacht hat, wird nichts von sich geben, was möglicherweise seine eigenen früheren Arbeiten abwertet und seine jahrelangen Investitionen zunichte macht. Menschen, die zu einer anderen Partei überwechseln, gelten als Verräter, Abtrünnige oder gar Apostaten (wer seiner Religion abschwor, wurde früher mit dem Tod bestraft).
Rechnen statt Denken
Neben den Berichten über Karneades und Cicero, die ich oben beschrieben habe, gibt es noch eine weitere Geschichte über die Wahrscheinlichkeitslehre. Wahrscheinlichkeiten kamen über die Spieltheorie in die Mathematik und blieben dort als rein rechnerisches Instrument erhalten. In jüngerer Zeit entstand eine ganze Branche von »Risikomessern«, die sich auf die Anwendung dieser Wahrscheinlichkeitsmethoden in der Bewertung von Risiken in den Sozialwissenschaften spezialisiert haben. Die Gewinnchancen in Spielen, in denen die Regeln klar und explizit definiert sind, lassen sich natürlich berechnen, und folglich sind die Risiken quantifizierbar. Das gilt aber nicht für die Realität. Denn Mutter Natur hat uns keine eindeutigen Spielregeln in die Hand gegeben. Das Spiel beruht nicht auf einem Satz Karten (wir wissen nicht einmal, wie viele Farben es gibt). Aber irgendwie »messen« die Menschen Risiken, insbesondere wenn sie dafür bezahlt werden. Ich habe bereits an früherer Stelle Humes Problem der Induktion und die Existenz von schwarzen Schwänen erörtert. In diesem Abschnitt stelle ich nun die wissenschaftlichen Übeltäter vor.
Wie Sie wissen, führe ich schon seit langem einen Krieg gegen die Scharlatanerie einiger bekannter
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