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Finanzökonomen. Ein gewisser Henry Markowitz erhielt eine Auszeichnung, die als Nobelgedächtnispreis in Wirtschaftswissenschaften bekannt ist (und faktisch nicht einmal ein Nobelpreis ist, da er von der schwedischen Zentralbank zu Ehren Alfred Nobels verliehen wird – so etwas stand niemals im Testament des berühmten Mannes). Für welche Leistung ehrte man ihn? Er erfand eine elaborierte Methode zur Berechnung zukünftiger Risiken, wenn man die zukünftige Ungewissheit kennt – mit anderen Worten: wenn die Welt klar definierte Regeln hätte, wie man sie beispielsweise in der Anleitung zu einem Monopoly-Spiel findet. Einmal erklärte ich diesen Aspekt einem Taxifahrer, der lauthals darüber lachte, dass jemand überhaupt auf die Idee kam, dass es wissenschaftliche Methoden zum Verständnis der Börse und zur Vorhersage ihrer Eigenschaften geben könne. Wenn man sich mit der Finanzökonomie beschäftigt, vergisst man aufgrund der in dieser Disziplin herrschenden Kultur gerne diese grundlegenden Tatsachen (Veröffentlichungsdruck, um den Status gegenüber den Universitätskollegen zu wahren).
Ein unmittelbares Resultat von Dr. Markowitz’ Theorie war der Beinahezusammenbruch des Finanzsystems im Sommer 1998 (von dem wir bereits in Kapitel 1 und 5 hörten), den Long Term Capital Management (LTCM) verursachte, ein in Greenwich, Connecticut, angesiedelter Hedgefonds, den zwei Kollegen von Dr. Markowitz verwalteten, die ihrerseits ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden waren. Es handelt sich um Dr. Robert Merton (der in Kapitel 3 Shiller aufs Schärfste kritisierte) und Dr. Myron Scholes. Aus irgendeinem Grund bildeten sie sich ein, sie könnten ihre Risiken wissenschaftlich »messen«. Im Falle von LTCM zogen sie in keinster Weise die Möglichkeit in Betracht, dass sie die Börse nicht verstanden und ihre Methoden falsch sein könnten. Über diese Hypothese dachten sie nicht nach. Ich bin zufällig auf schwarze Schwäne spezialisiert. Plötzlich brachte man mir in Börsenkreisen einen lästigen, kriecherischen Respekt entgegen. Die Herren Merton und Scholes trugen dazu bei, diesen bescheidenen Autor bekannt zu machen, und weckten Interesse an seinen Thesen. Die Tatsache, dass diese »Wissenschaftler« ihre katastrophalen Verluste als »Zehn-Sigma-Ereignis« bezeichneten, weist auf ein Problem nach Art von Wittgensteins Lineal hin: Wenn jemand sagt, dies sei ein Zehn-Sigma-Ereignis, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder weiß der Betreffende mit an Vollkommenheit grenzender Präzision, wovon er spricht (die Prior-Annahme lautet, dass die Möglichkeit, unqualifiziert zu sein, eins zu mehreren Milliarden Milliarden entspricht), kennt seine Wahrscheinlichkeiten und dieses Ereignis findet nur einmal in einem Zeitraum statt, der dem Mehrfachen der Geschichte des Universums entspricht. Oder der Betreffende weiß bei seinen Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit nicht, wovon er spricht (mit einem hohen Maß an Sicherheit) und dieses Ereignis kann mit einer Wahrscheinlichkeit eintreten, die höher ist als einmal in einem Zeitraum, der dem Mehrfachen der Geschichte des Universums entspricht. Ich überlasse es dem Leser, aus diesen beiden sich gegenseitig ausschließenden Interpretationen die plausiblere auszuwählen.
Man beachte, dass die Schlussfolgerungen auch ein bestimmtes Licht auf den Nobelausschuss werfen, der den betreffenden Herren die entsprechenden Weihen zuteil werden ließ: Begingen seine Mitglieder angesichts dieser Ereignisse einen Fehler oder handelte es sich um ungewöhnliche Vorkommnisse? Besteht der Nobelausschuss aus unfehlbaren Preisrichtern? Wo ist Charles Sanders Peirce, um uns über päpstliche Unfehlbarkeit zu informieren? Wo ist Karl Popper, um uns davor zu warnen, Wissenschaft – und wissenschaftliche Institutionen – ernst zu nehmen? Werden wir in einigen Jahrzehnten den Nobel-Wirtschaftsausschuss mit dem gleichen süffisanten Grinsen betrachten wie andere angesehene »wissenschaftliche« Etablissements aus dem Mittelalter, die (entgegen aller beobachteten Beweise) die These propagierten, dass das Herz ein Wärmezentrum sei? Wir haben in der Vergangenheit Dinge missverstanden und lachen über unsere früheren Institutionen; es ist Zeit zu verstehen, dass wir auch unsere heutigen nicht auf ein Podest stellen sollten.
Man sollte meinen, dass Wissenschaftler, wenn sie einen Fehler machen, eine neue These entwickeln, in der sie die Lektionen verarbeiten, die sie aus ihrem Fehlgriff
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