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Finanzmärkten empfiehlt es sich, den Anteil der Nebengeräusche an der Performance zu ignorieren. Wir brauchen Tricks, um unsere Ziele zu erreichen, aber zuerst müssen wir die Tatsache akzeptieren, dass wir nur Tiere sind, die simplere Tricks brauchen, keine Predigten.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich mich glücklich schätze, nicht von Zigaretten abhängig zu sein. Denn ein Gespräch mit einem Raucher veranschaulicht am besten, wie wir in unserer Wahrnehmung der Risiken und Wahrscheinlichkeiten einerseits rational und andererseits in unserem Handeln völlig irrational sein können. Nur wenige Zigarettenraucher wissen nicht, dass jeder Dritte von ihnen an Lungenkrebs erkrankt. Wenn Sie davon nicht überzeugt sind, brauchen Sie sich bloß die dicht gedrängte Gruppe der Raucher vor dem Personaleingang des Memorial Sloan Kettering Cancer Centers in der New Yorker Upper East Side anzusehen. Dutzende von Onkologieschwestern (und vielleicht auch der eine oder andere Arzt) stehen dort mit Zigaretten in der Hand vor der Tür, während hoffnungslose Fälle an ihnen vorbei zur Behandlung in die Klinik gerollt werden.
Kapitel 13
Karneades kommt nach Rom: über Wahrscheinlichkeiten und Skeptizismus
Cato der Zensor vertreibt Karneades aus der Stadt. Monsieur de Norpois erinnert sich nicht an seine früheren Ansichten. Warnung vor Wissenschaftlern. Was geschieht, wenn man mit seinen Ideen verheiratet ist. Der bereits erwähnte Robert Merton hilft dem Autor, sein Unternehmen zu gründen. Warum sich die Wissenschaft mit jeder Hypothese weiterentwickelt, die zu Grabe getragen wird.
Wenn Sie Ihren ortsansässigen Mathematiker um eine Definition von Wahrscheinlichkeiten bitten, würde er Ihnen vermutlich zeigen, wie man sie berechnet. Wie wir in Kapitel 3 zum Thema probabilistische Introspektion gesehen haben, geht es bei Wahrscheinlichkeiten nicht um Gewinnchancen, sondern um den Glauben an einen alternativen Ausgang, eine alternative Ursache, ein alternatives Motiv Denken Sie daran, dass die Mathematik eine Denkweise und keine Rechenmethode ist. Lassen Sie uns auch hier wieder unsere Vorfahren um Rat fragen, denn Wahrscheinlichkeiten wurden von ihnen stets nur als subjektive Glaubensmaßstäbe betrachtet, die ständig im Fluss sind.
Karneades kommt nach Rom
Um 155 vor Christus herum kam der griechische postklassische Philosoph Karneades von Kyrene nach Rom. Er war einer von drei Athener Gesandten, die den Römischen Senat um einen politischen Gefallen bitten sollten. Den Bürgern ihrer Stadt war ein Bußgeld auferlegt worden, und sie wollten Rom davon überzeugen, dass dieses ungerecht war. Karneades vertrat die Akademie, die gleiche streitsüchtige Freiluftinstitution, in der 300 Jahre zuvor Sokrates seine Gesprächspartner dazu getrieben hatte, ihn zu ermorden, nur um seine Argumente nicht mehr anhören zu müssen. Inzwischen hieß sie »Neue Akademie«, war aber noch genauso zänkisch und stand in dem Ruf, eine Brutstätte des Skeptizismus der Antike zu sein.
An dem voller Spannung erwarteten Tag, an dem sein Vortrag angesetzt war, stand Karneades auf und trug eine brillant argumentierte Lobrede über die Gerechtigkeit vor, in der er forderte, dass deren Durchsetzung unsere oberste Priorität sein sollte. Das römische Publikum war fasziniert. Das lag nicht nur an seinem Charisma; die Zuhörer waren auch von der Überzeugungskraft seiner Argumente, der Eloquenz seiner Gedanken, der Reinheit seiner Sprache und der Dynamik seines Vortrags fasziniert. Aber das war nicht der Punkt, auf den er hinauswollte.
Am nächsten Tag kam Karneades zurück, stand auf und stellte die Doktrin der Unsicherheit des Wissens auf die überzeugendste Weise vor, die man sich vorstellen kann. Wie gelang ihm das? Indem er mit nicht weniger bestechenden Argumenten bestritt und widerlegte, was er am Vortag so überzeugend dargelegt hatte. Es gelang ihm, genau das gleiche Publikum am gleichen Ort davon zu überzeugen, dass die Gerechtigkeit weit unten auf der Liste der Beweggründe für menschliche Unterfangen stehen sollte.
Nun die schlechte Nachricht: Im Publikum befand sich Cato der Ältere (genannt Cato Censorius). Er war recht betagt, aber dennoch kein bisschen toleranter als während seiner Amtszeit als Zensor. Erbost überredete er den Senat, die drei Gesandten der Stadt zu verweisen, um zu verhindern, dass ihre Streitgespräche die Jugend der Republik durcheinander brachten und die Militärkultur schwächten. (Während seines
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