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B00BOAFYL0 EBOK

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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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der Widerstandsfähigkeit gegen den Zufall im Leben ist ein abstrakter Gedanke, dessen Logik teilweise unserer Intuition widerspricht. Die Verwirrung wird noch größer durch die Tatsache, dass seine Realisierungen nicht zu beobachten sind. Dennoch finde ich immer mehr Gefallen an diesem Gedanken – aus etlichen persönlichen Gründen, auf die ich später noch eingehen werde. Meine Sichtweise ist eindeutig probabilistisch; sie stützt sich auf die Vorstellung dessen, was wahrscheinlich geschehen hätte können, und verlangt eine gewisse geistige Einstellung in Bezug auf die eigenen Beobachtungen. Mit einem Buchhalter eine Diskussion über derartige probabilistische Überlegungen anzufangen, halte ich für wenig empfehlenswert. Für ihn ist eine Zahl nichts weiter als eine Zahl. Wäre er an Wahrscheinlichkeiten interessiert, hätte er sich einen Beruf mit mehr Selbstbeobachtung gesucht – und würde dazu neigen, bei Ihrer Steuererklärung kostspielige Fehler zu machen.
    Obwohl wir den Gewehrlauf in der Realität normalerweise nicht sehen können, versuchen einige Menschen dies dennoch. Dazu braucht man eine spezielle Denkweise. Nachdem ich erlebt habe, wie Hunderte von Menschen meinen Beruf (der durch eine extreme Abhängigkeit vom Zufall gekennzeichnet ist) ergriffen haben und dann wieder aufgaben, muss ich einräumen, dass diejenigen, die ein Mindestmaß an wissenschaftlicher Ausbildung genossen haben, in der Regel gerade hier besondere Anstrengungen unternehmen. Für viele ist ein solches Denken zur Selbstverständlichkeit geworden. Das ist nicht unbedingt auf ihre wissenschaftliche Ausbildung per se zurückzuführen (man hüte sich vor Ursache-Wirkung-Interpretationen), sondern möglicherweise auf die Tatsache, dass Menschen, die irgendwann in ihrem Leben beschlossen haben, sich der wissenschaftlichen Forschung zu widmen, in der Regel eine tief verwurzelte intellektuelle Neugier und eine natürliche Neigung zur Selbstbeobachtung mitbringen. Besonders tiefsinnig sind diejenigen, die ihre wissenschaftlichen Studien aufgeben mussten, weil sie nicht in der Lage waren, sich auf ein eng definiertes Problem zu konzentrieren (oder in Neros Fall auf die winzigen, geheimnisumwobenen Details und trivialen Auseinandersetzungen). Ohne übermäßige intellektuelle Neugier ist es heutzutage nahezu unmöglich, eine Doktorarbeit zu schreiben – aber ohne den Wunsch nach enger Spezialisierung kann man keine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere einschlagen. (Allerdings besteht ein Unterschied zwischen dem Denkansatz eines reinen Mathematikers, welcher nichts so sehr liebt wie Abstraktionen, und der eines Wissenschaftlers, der sich vor Neugier verzehrt. Ein Mathematiker ist fasziniert von dem, was sich in seinem eigenen Kopf abspielt, während Wissenschaftler Dinge erforschen, die außerhalb ihrer Person stattfinden.) Manche konzentrieren sich aber auch zu sehr auf den Zufall. Ich habe sogar Menschen kennen gelernt, die Studiengänge wie beispielsweise Quantenmechanik absolviert hatten und diesen Ansatz im anderen Extrem auf die Spitze trieben, ausschließlich alternative Historien sahen (in der Interpretation vieler Welten) und gar nicht mehr wahrnahmen, was tatsächlich geschah.
    Manche Börsenhändler können in Zufallsfragen auch unerwartete Selbsterkenntnis zeigen. Unlängst aß ich mit Lauren Rose in einer Bar in Tribeca zu Abend, einem Händler, der einen frühen Entwurf dieses Buches las. Wir warfen eine Münze, um zu entscheiden, wer das Essen bezahlen sollte. Ich verlor und übernahm die Rechnung. Er wollte sich gerade bedanken, als er plötzlich innehielt und sagte, er habe ja aus probabilistischer Sicht die Hälfte davon bezahlt.
    Meiner Ansicht nach lassen sich die Menschen in zwei völlig entgegengesetzte Kategorien unterteilen. Am einen Ende der Skala stehen diejenigen, die das Konzept des Zufalls niemals akzeptieren, am anderen jene, die von der Vorstellung der Zufälligkeit gequält werden. Als ich in den achtziger Jahren an die Wall Street kam, wimmelte es in den Trading Rooms von Menschen mit »betriebswirtschaftlicher Orientierung«. Für sie war Selbstbeobachtung zumeist ein Fremdwort – sie waren platt wie ein Pfannkuchen und ließen sich oft vom Zufall zum Narren machen. Ihre Misserfolgsquote war extrem hoch, insbesondere als die Finanzinstrumente immer komplexer wurden. Irgendwann wurden trickreichere Produkte eingeführt, etwa exotische Optionen, die einen der Intuition zuwiderlaufenden Gewinn

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