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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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nahezu alle Topmanager, die mir während meiner 18-jährigen Karriere an der Wall Street begegnet sind (die Rolle dieser Führungskräfte beschränkt sich meiner Ansicht nach darauf, zufällig gelieferte Resultate zu beurteilen), sieht auch die Öffentlichkeit externe Zeichen des Wohlstands, ohne jemals dessen Quelle (die wir als Generator bezeichnen) genauer zu betrachten. Stellen Sie sich vor, der Gewinner des russischen Roulettes würde seiner Familie, seinen Freunden und Nachbarn als Vorbild dienen!
    Die übrigen fünf Historien ließen sich zwar nicht beobachten, doch kann ein gescheiter, nachdenklicher Mensch ihre Merkmale leicht erraten. Dazu sind ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und persönlichem Mut erforderlich. Wenn der Roulette spielende Narr weiter sein Schicksal herausfordert, werden ihn außerdem die Historien mit negativem Ausgang in der Regel irgendwann einholen. Würde also beispielsweise ein 25-jähriger Mann einmal im Jahr russisches Roulette spielen, bestünde eine ganz geringe Chance, dass er seinen 50. Geburtstag erlebt. Wenn es aber genügend Spieler gibt, beispielsweise Tausende von 25-jährigen Spielern, können wir damit rechnen, dass es eine Hand voll (sagenhaft reicher) Überlebender geben wird (und einen sehr großen Friedhof). Hier muss ich zugeben, dass das Beispiel russisches Roulette für mich mehr bedeutet als ein intellektuelles Gedankenspiel. Während des Krieges im Libanon verlor ich durch dieses »Spiel« einen Kameraden; wir waren damals noch Teenager. Damit nicht genug. Die Entdeckung meines tieferen Interesses an der Literatur habe ich der Wirkung zu verdanken, die Graham Greenes Bericht über seine Liebäugelei mit diesem Spiel auf mich hatte – dieser prägte sich mir stärker ein als die tatsächlichen Ereignisse, deren Zeuge ich kurz zuvor geworden war. Greene behauptete, er habe einmal versucht, die Langeweile seiner Kindheit dadurch zu lindern, dass er einen Revolver abdrückte. Mich ließ der Gedanke erschauern, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich seine Romane niemals hätte lesen können, dabei mindestens eins zu sechs stand.
    Der Leser kann meine ungewöhnliche, alternative Rechenweise nachvollziehen: Zehn Millionen Dollar, die durch russisches Roulette verdient werden, besitzen nicht den gleichen Wert wie zehn Millionen Dollar, die das Ergebnis fleißiger, geschickter zahnärztlicher Heilkunst sind. Es handelt sich zwar um die gleiche Summe, und man kann sich damit die gleichen Dinge kaufen, nur ist die Abhängigkeit vom Zufall in dem einen Fall größer als im anderen. Für einen Buchhalter wären die beiden Beträge zwar identisch, ebenso wie für Ihren Nachbarn. Dennoch kann ich mich tief in meinem Inneren nicht des Gedankens erwehren, dass sie sich in ihrer Qualität unterscheiden. Die Vorstellung dieser alternativen Rechenweise hat interessante intellektuelle Konsequenzen und eignet sich für die Bildung mathematischer Formeln, wie wir im nächsten Kapitel bei der Vorstellung des Monte-Carlo-Generators sehen werden. Beachten Sie dabei aber, dass dieser Einsatz der Mathematik nur der Veranschaulichung dient, auf ein intuitives Verständnis dieses Arguments abzielt, und nicht als fachtechnische Fragestellung missverstanden werden sollte. Mit anderen Worten: Man muss die alternativen Historien nicht tatsächlich berechnen, sondern vielmehr ihre Eigenschaften evaluieren. Die Mathematik ist nicht einfach ein »Zahlenspiel«, sondern eine Denkweise. Wir werden sehen, dass Wahrscheinlichkeiten ein qualitatives Thema sind.

Mögliche Welten
    Beachten Sie, dass diese Vorstellung alternativer Historien von verschiedenen geistesgeschichtlichen Fachrichtungen abgedeckt wurde. Ein kurzer Abriss lohnt sich hier, da sie alle auf die gleiche Vorstellung von Risiko und Unsicherheit hinauszulaufen scheinen (Gewissheit ist etwas, das wahrscheinlich in der größten Anzahl unterschiedlicher alternativer Historien eintritt; Unsicherheit betrifft Ereignisse, die in der geringsten Anzahl davon stattfinden sollten).
    In der Philosophie gibt es zahlreiche Arbeiten zu diesem Thema, angefangen mit Leibniz’ Begriff der »möglichen Welten«. Für Leibniz umfasste der Geist Gottes eine unendliche Anzahl möglicher Welten, aus der er nur eine einzige auswählte. Die anderen sind Welten der Möglichkeiten, und die Welt, in der ich atme und diese Zeilen schreibe, ist nur eine davon, die zufällig realisiert wird. In der Philosophie gibt es auch einen Zweig der Logik, der sich auf die

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