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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Brillanten. Ein Geschenk von Robert, erinnert sich Sam, als es mit der Firma endlich aufwärtsging. Sie haben alle am Tisch gesessen: Sam, Nikolaj, Blanca, Victoria und Robert. Ihr Vater hat den Schmuck mit maximalem Tamtam überreicht. Es war im letzten Herbst, denkt Sam. Jetzt kommt es mir vor, als wäre es 1000 Jahre her.
    »Mutter? Ist die Frau auf dem Foto, das ich dir gezeigt habe, Grace?«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest!« Victoria hat sich wieder im Griff.
    »Doch. Das weißt du.« Sam ignoriert den scharfen Tonfall. Sie ignoriert Victorias zusammengekniffene Lippen. »Ich habe die Übersetzung gefunden. Griechische Polizeiprotokolle. Du hast 1982 in Olympia den Tod von Grace May gemeldet.«
    Victoria sieht durch Sam hindurch.
    Sam sagt keinen Ton. Sie wendet den Blick nicht ab, wie sie es sonst getan hat. In einem anderen Leben, denkt sie. Dies hier ist ein Anfang. Ein Ende und ein Anfang.
    Wenn Blanca stirbt, sterbe ich mit ihr.
    »Es war ein Unfall«, flüstert Victoria. »Es war ein tragisches Unglück.«
    »Warum habt ihr nie davon gesprochen?«
    »Kannst du dir das nicht vorstellen? Weißt du, was es bedeutet, zu zweit aufzubrechen und allein heimzukommen?« Victoria findet zu ihrer Form zurück, geht zum Angriff über.
    »Du meinst, es ist leichter zu ertragen, wenn man darüber schweigt?«, fragt Sam fassungslos.
    Victoria durchbohrt Sam mit ihren hellen Augen.
    »Du bist wirklich wie meine Schwester!« Sie schüttelt den Kopf, als könne sie es nicht glauben.
    Es dauert einen Moment, bis Sam versteht, was Victoria damit sagt. »Grace ist deine Schwester?« Sam will nur die Bestätigung. Sie will nichts anderes hören.
    »Grace. Mutters Liebling und Vaters Augenstern. Die Dunkle mit den samtenen Augen.« Victoria speit die Worte aus wie ekelerregende Brotbissen. »Das große Talent!«
    »Aber Mutter! Du bist die Künstlerin in der Familie!«, widerspricht Sam aus Gewohnheit. Ihre Mutter hatte eine Schwester!
    »Was dein Großvater nie anerkannte.« Victoria presst die Lippen zusammen. Sie nimmt den Hut ab. Ihr sorgfältig getöntes Haar klebt an ihrem Kopf. Sie stößt mit den Händen dagegen, um es in Form zu bringen. Schweiß steht ihr auf der Stirn.
    »Großvater?«, fragt Sam. Die Energie, die sie eben noch verspürt hat, ist wie weggeblasen.
    »Grace war sein Augenstern. Immer nur Grace.« Isaac ist seit 30 Jahren tot, und die Eifersucht sitzt seitdem in Victoria fest wie Rostfraß. »Wir haben beschlossen, dass du und deine Geschwister nichts davon wissen solltet. Es war zu tragisch. Dein Großvater hat sich nie davon erholt.«
    Sam sieht den Flur entlang. Irgendwo quietschen Gummisohlen. Ein Pfleger eilt an ihnen vorbei. Sie will nach Blanca fragen, aber er ist schon um die nächste Ecke.
    Wenn Blanca stirbt, habe ich ihren Tod verursacht. Durch den Schock, den ich ihr zugefügt habe, denkt Sam.
    Victoria lehnt sich an die Wand. Sie ist totenblass. Das mondäne Kleid wirkt plötzlich overdressed, als lache es verächtlich über die Frau, die es trägt.
    Sam will fragen, wie ist das passiert, wie konnte deine Schwester über die Klippe stürzen, aber sie weiß es bereits aus dem Protokoll.
    Es gibt nichts mehr zu sagen.

17
    Victoria ist kalt in ihrem Kleid. Sie schlingt die Stola enger um ihren Körper. Ihr Blick fällt auf Sam. Wirklich, sie ist Grace so ähnlich. Sam kann in irgendeinem Gedanken versinken und für Stunden nicht auftauchen.
    Ihre Mutter weiß nichts von den Polizeiprotokollen. Das haben Victoria und ihr Vater von ihr ferngehalten.
    Isaac war so wütend. Er hasste Victoria von jenem Tag an, als sie allein nach Hause zurückkehrte. Ohne Grace. Während ihre Mutter sie sogar zu trösten versuchte, begegnete ihr Vater ihr mit Misstrauen.
    Er hat Grace immer mehr geliebt als mich, denkt Victoria. Da war jener Tag am Meer, in der Bretagne. Blanca blieb im Hotel, um sich auszuruhen. Ihr Vater ging mit den Mädchen die Mole entlang. Sie war 10, Grace 12. Sie stritten sich um einen Sonnenhut. Es gab nur noch einen mit rosa Plastikblumen am Band in dem winzigen Geschäft, wo man Muscheln kaufen konnte, Glaskugeln und andere Nippes, Postkarten, Briefmarken und Schiffe in Flaschen.
    Den Hut bekam Grace.
    Wenn Mutter dabei gewesen wäre, denkt Victoria, hätte sie einen zweiten Hut für mich aufgetrieben. Sie hätte das irgendwie geschafft. Aber für Vater war ich nicht wichtig.
    Der Urlaub ist 50 Jahre her und sie erinnert sich, wie sie geweint hat, als wäre es gestern gewesen.

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