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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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»Großvater hat diese Übersetzung in Auftrag gegeben.« Atemlos wartet Sam auf eine Reaktion. Im Raum ist ein Knistern. »Wer ist Grace?«
    Blancas Gesicht scheint zu zerfallen. Sie wendet sich ab. Um die Teekanne abzustellen, scheint sie alle Kraft zu brauchen. Es klirrt, als die Kanne auf die Tischplatte kracht. Eine ganze Weile ist es still im Zimmer.
    »Grace. Meine Große. Mein Sonnenschein.« Blanca sieht in die Ferne.
    Sam hält den Atem an.
    »Sag mir, Blanca: Wer ist Grace?«
    Blancas Atem geht schnell. Auf ihren Wangen bilden sich rote Flecken.
    »Grace«, flüstert sie, als stünde die Verlorene vor ihr, materialisiert aus den Schatten zwischen Schrank und Sofa.
    »Blanca?«, fragt Sam, als lange Zeit nichts mehr kommt. »Warum habt ihr nie über sie gesprochen?« Eben hat Ungeduld sie getrieben, Zorn, Angst. Jetzt, angesichts Blancas Verzweiflung, die das ganze Zimmer erfüllt, schämt sie sich, überhaupt etwas gesagt zu haben.
    »Wir haben … wir haben beschlossen …« Blanca kann den Satz nicht beenden. Ihr linkes Auge verzieht sich, die linke Wange, die linke Schulter rutscht hoch und dann fällt Blanca zu Boden.
    »Blanca!« Sam schreit, wirft sich auf Blanca, die unverständliche Silben brabbelt. Ihre dunklen Augen heften sich an Sams, hilfesuchend, voller Angst.
    Sam reißt das Handy aus ihrer Tasche und wählt den Notruf. Nennt die Adresse.
    »Meine Großmutter. Wahrscheinlich ein Schlaganfall.«
    Der Krankenwagen braucht keine zehn Minuten. Der Notarzt legt eine Infusion. Sam springt mit in die Ambulanz. Bis zum Klinikum sind es sieben Minuten. Sam sieht auf die Uhr. Ein Team aus zwei Schwestern und einem Arzt wartet bereits. Sie schieben die Liege, auf der Blanca bewegungslos liegt, in einen dunklen Korridor.

    *

    Sam ruft Victoria an und schildert die Lage. Über Grace verliert sie kein Wort.
    Sie geht auf dem Klinikflur auf und ab, auf und ab. Schließlich sucht sie die Toilette auf, betrachtet ihr Gesicht im Spiegel. Die dunklen Haare legen sich wie ein dicker Rahmen um ihr blasses Gesicht. Zornig packt sie die Strähnen, schlingt sie zum Pferdeschwanz, aber sie hat kein Haargummi. Sie lässt das Haar los. Es fällt wie ein Vorhang vor ihr Gesicht.
    Sam sucht sich einen Stuhl, wo sie warten kann. Der Stuhl ist gepolstert, doch er fühlt sich hart an, unerträglich hart. Die Beine werden ihr schwer. Sie rückt den Stuhl so, dass sie die Füße auf einen Heizkörper legen kann.
    Irgendwann hört sie Absätze klappern. Victoria kommt atemlos angelaufen.
    Ihre Mutter trägt ein eng anliegendes, schokoladenbraun changierendes Kleid, eine Stola und einen Hut. In der tristen Umgebung des Krankenhauses ist sie eine Erscheinung.
    »Hallo, Mutter.«
    »Was ist los?« Victorias Kommandostimme schallt laut durch den Flur. Sie riecht nach Gin.
    »Wahrscheinlich ein Schlaganfall.« Sams Stimme klingt in ihren eigenen Ohren wie ein schlecht geöltes Scharnier.
    »Meine Mutter? Einen Schlaganfall?« Es hört sich an, als ärgere Victoria sich über Blancas Unverschämtheit, ungefragt einen Schlaganfall zu erleiden.
    »Sie hat Chancen«, sagt Sam. »Wenn Hilfe binnen 30 Minuten eintrifft, überstehen die Patienten den Schlaganfall meist ohne größere Folgeschäden. Es hat keine 20 Minuten gedauert, um sie hierherzubringen.«
    »Liest du mir aus einem Nachschlagewerk vor?« Victoria schüttelt den Kopf. »Wir waren bei Ofenstallers, dein Vater und ich.«
    Ofenstallers sind reiche Coburger, Kunstbeflissene mit einem offenen Portemonnaie und Unterstützer der Ausstellung zu Victorias Sechzigstem.
    Wenn Blanca stirbt, ist es meine Schuld, denkt Sam. Oder hat sie es laut ausgesprochen? Victoria starrt sie verwundert an.
    »Was hast du getan?«
    »Ich habe einen Mann kennengelernt.« Wieder sieht Sam Roman vor sich, wie er sich ratlos durchs Haar fährt, ohne Unterlass, bis die kurzen Strähnen in alle Richtungen stehen wie Stacheln.
    »Das hat meine Mutter bestimmt nicht umgehauen«, erwidert Victoria trocken.
    »Mutter, wer ist Grace?«
    Victoria wird blass. Das sorgfältig aufgetragene Make-up scheint Risse zu bekommen. Ihre Augen weiten sich. Es kommt Sam vor, als sehe sie die Veränderung in Victorias Gesicht in Zeitlupe.
    »Die Unbekannte auf dem Foto ist keine griechische Künstlerin, nicht wahr?«, fragt sie. Sie nimmt die Füße von der Heizung, steht auf und sieht ihre Mutter direkt an.
    Victoria presst die Hand vor den Mund. Sie trägt ihren teuersten Schmuck, einen verschlungenen Ring mit drei

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