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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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nicht.« Blanca hat ihre Brille aufgesetzt und studiert das Foto ausdauernd. »Ulkig, wie der Schatten des Fotografen zwischen den beiden hindurchragt, findest du nicht?« Blanca lächelt. Dann spult sie den Rest der Geschichte ab, sehr schnell, wie um es zu Ende zu bringen, bevor es zu weh tut. Wie Victoria anrief und die schrecklichen Neuigkeiten mitteilte. Wie Isaac darüber zusammenbrach. Wie Victoria nach Hause kam, wie Isaac sie ignorierte, wie Victoria sich über Sams Bett beugte und die Kleine herausnahm und an sich drückte und Sam davon aufwachte und zu weinen begann.
    »Sie wollte, dass du nie etwas davon erfährst. Sie drückte dich an ihre Brust, küsste dein Köpfchen und nahm mir das Versprechen ab, dir nie von Grace zu erzählen.« Blanca bricht ab. Sie rutscht tiefer in die Kissen. Sam zupft die Decke zurecht.
    »Aber warum?« Sam schüttelt langsam den Kopf. »Ich war so klein. Ich hätte mich an meine Tante sowieso nicht erinnert.«
    »Victoria wollte es nicht, sie«, Blanca sucht nach den richtigen Worten, »sie litt so sehr, stand so unter Schock, dass sie bereit war, alles Schreckliche wenigstens von dir fernzuhalten.«
    Als könnte irgendjemand irgendetwas Schreckliches von anderen fernhalten, denkt Sam. Sie ist plötzlich wütend.
    »Als ich ihr das Foto zeigte, da hat sie mich schlicht angelogen!«
    »Du bist empört. Ich verstehe das. Sie hat dich angelogen, weil sie meinte, du würdest die Sache auf sich beruhen lassen.« Blanca lächelt. »Ich nehme sie immer noch in Schutz, siehst du? Obwohl es insgesamt gesehen keine gute Idee war, dir alles zu verheimlichen. Genauso wenig wie alles zu vernichten, was mit Grace zu tun hatte.« Sie nimmt die Brille ab. »Legst du die bitte weg? Danke.«
    Sam legt die Brille in das Etui auf dem Nachtkästchen.
    »So hat Victoria dich in Schutz genommen. Als Isaac tot war, als du älter wurdest, als du Grace immer ähnlicher wurdest, da warfen wir alle Bilder von Grace weg.«
    Sam wird kalt.
    »Das ist herzlos.«
    »Nicht unbedingt. Es war nicht für uns. Es war für dich.«
    Ich kann das nicht ertragen, denkt Sam. Ich kann es nicht ertragen, dass mir diese professionelle Verleugnung untergeschoben wird. Als sei ich dafür verantwortlich!
    »Ich hätte keineswegs darunter gelitten, eine Tante zu haben, die kurz nach meiner Geburt gestorben ist. Sowas kommt in allen Familien vor.«
    »Ich glaube nicht«, widerspricht Blanca. »Sowas kommt nirgendwo sonst vor.«
    Sam schweigt. Blanca sieht erschöpft aus. Sie sollte lieber schlafen, anstatt sich diesen zersetzenden Erinnerungen auszuliefern.
    »Was ist mit dem Mann, den du kennengelernt hast?«, fragt ihre Großmutter unvermittelt.
    »Wir waren vorhin was trinken.«
    »Ach du liebes Lieschen. Du hast der Romantik einen Tritt gegeben, weil ich dich anrufen ließ.«
    »Nein. Er hat mich geküsst und mich hierher gefahren.«
    Blanca lächelt. »Gut.«
    »Bist du wirklich okay, Blanca?«
    »More or less.« Sie seufzt. »Die Ärzte sagen, es besteht die Gefahr eines zweiten Schlaganfalls. Der wäre schlimmer. Würde nicht mehr so locker wegzustecken sein.«
    »Hab keine Angst.«
    »Ich versuch’s.«
    Sam streicht mit zwei Fingern über Blancas Gesicht. Ihre Wangen sind kühl und weich. Blanca schließt die Augen, spürt der Berührung nach.
    »Warum hat Großvater die Polizeiprotokolle aus Griechenland angefordert und übersetzen lassen?«
    »Ich weiß es nicht.« Blancas Stimme klingt erschöpft. »Vielleicht konnte er sich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass es Victoria war, die zurückkehrte.«
    »Wie kam er an die Protokolle, Blanca? Hattet ihr einen Anwalt, zu dem er mit dem Problem hätte gehen können?«
    »Von der Schlei. Alfred von der Schlei. Aber der ist seit vielen Jahren tot.«
    Blancas Lider zucken. Sie greift nach Sams Hand. »Ich bin müde, Little Sweetie.«

23
    Als Sam ihr Handy einschaltet, blinkt eine SMS von Luna auf. Bin wieder im Land, wann treffen wir uns?
    Sam steckt das Telefon weg. Es gibt tausend Sachen, die sie mit Luna besprechen muss. Die Übersetzung, überhaupt die Tatsache, dass sie eine Tante hat. Sam hat sonst keine Tanten, keine Onkel, bis auf die Amerikaner, aber sie sind sozusagen zweite Garde. Dann fällt ihr die Absage des Labels ein. Ihr Herz wird schwer. Die Ausstellung, um Himmels willen, sie hat ja auch die Ausstellung am Hals. Sam seufzt.
    Es ist dunkel, die Straßenbeleuchtung quält sich durch den Nieselregen. Romans Kombi steht drüben auf der anderen

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