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ist wirklich ein Traum, zarte, runde Wölkchen gleiten unter dem Himmel dahin, das frische Grün leuchtet. »Blanca ist allein. Mir wäre es lieber, ich wäre möglichst schnell wieder bei ihr.«
»Ruf sie an.«
Sam wählt Blancas Nummer. Sie lässt es viele Male läuten. »Sie nimmt nicht ab.«
»Vielleicht hat sie sich hingelegt.«
Sam ist nicht wohl bei dem Gedanken an Blanca, die allein auf dem Sofa liegt. Sie denkt an die Nacht, in der sie zu ihrer Großmutter ins Bett kroch. Zärtlichkeit gleitet über sie hinweg. Sie ist so froh, dass sie Blanca hat. Wenigstens eine Sicherheit, nachdem um sie herum alles zusammenbricht.
»Was ist mit deinem Job?«, fragt ihr Vater.
Sam berichtet. Auch von Lunas Angebot. Er sagt dasselbe wie Blanca.
»Arbeite für sie. Sie ist gut. Du machst Erfahrungen. Umso besser.«
Sie sind fast in Rödental, rechts liegt die noch nutzlose Itztalbrücke, die das grüne Tal überspannt, einst Teil einer neuen ICE-Verbindung von Nord nach Süd sein wird, und die so viele hier als Skandal empfinden, weil sie die Umgebung verschandelt und bei ihrem Bau Steuergelder in Millionenhöhe aus dem Fenster geworfen wurden. Eine Bevölkerung, die sich über 40 Jahre in den spitzen Winkel der Weltgeschichte abgeschoben sah, kann schwer damit zurechtkommen, von Neuem ein Ort der Durchreisenden zu sein.
Robert biegt hinter dem Industriegebiet links ab. Die Straße ist schmal, zwei Reiter kommen ihnen entgegen, tadellos gekleidet.
»Gehen wir durch den Schlosspark?«, fragt Robert, während er das Auto am Straßenrand abstellt.
Sam nickt stumm. Sie liebt das Schloss Rosenau, das sich in warmem Gelb zwischen alten Bäumen erhebt. Ein Schmuckstück vorwiegend spätgotisch geprägter Architektur an einer abgelegenen Stelle, dem richtigen Ort zum Tagträumen. Der Coburger Prinz Albert, der spätere Ehemann der englischen Königin Victoria, wurde hier geboren. Es heißt, die Königin hätte den Ort so geliebt, dass sie am liebsten ihr ganzes Leben hier zugebracht hätte. Aber den Zwängen bei Hof gehorchend, blieb ihr dieses Vergnügen verwehrt.
Schweigend gehen Sam und ihr Vater den Weg durch die Wiesen entlang. Der Wind ist hier frischer als in der Stadt.
»Wer ist die Frau, Dad?«, fragt Sam.
»Sie heißt Eva. Kommt aus der Slowakei.«
»Aus der Slowakei?« Sam kann es nicht glauben.
»Sie hat ein Praktikum bei uns in der Firma gemacht. Seitdem kennen wir uns.«
»Aber – warum?«
Robert schweigt. Er schreitet rasch aus. Sam beschleunigt ihre Schritte. Ihr Magen knurrt.
»Warum, Dad? Weiß Mutter es? Weiß es irgendjemand von der Familie?«
»Du.« Er seufzt. »Ich bin ziemlich schockiert. Ich wollte …«
»Du wolltest deine Affäre geheim halten.«
»Das klingt so billig!«
»Es ist eine Affäre!« Die Entrüstung ist von Sam abgefallen. Beinahe entspannt geht sie mit ihrem Vater durch den Park. Wenige Spaziergänger sind unterwegs. Sie lassen das Schloss rechts auf seinem Hügel liegen und drehen eine Runde um den Teich.
»Ich brauchte wieder so etwas wie ein Leben, Sam. Es kam ganz unerwartet zu mir, und ich habe es angenommen.«
»Hast du kein Leben? Du hast eine Frau, Kinder, einen Job, der dir Spaß macht.«
»Dass du dich da mal nicht täuschst.« Robert klingt bitter. »Ich habe immer hart gearbeitet. Dabei hatte ich nie Freude daran. Die Arbeit war und ist eine Notwendigkeit. Nicht so wie die Malerei für deine Mutter. Die ist wohl eher eine Berufung als ein Job.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe immer Rücksicht auf Victoria genommen, nicht wahr?« Er setzt sich auf eine alte Steinbank im Schatten. »Ich schätze ihre künstlerischen Ambitionen, ich mag ihre Bilder, und als ihr klein wart, habe ich alles getan, damit sie genug Zeit in ihre Kunst investieren konnte.«
Sam nickt. Victoria war immer gern mit ihren Kindern zusammen, sie konnten ihre Mutter mit allem behelligen, wann immer sie wollten, aber dann gab es Zeiten, da war das Wort ›Mutter‹ tabu. Wenn Victoria in einer Phase der Inspiration steckte und malte. Wenn sie einen Auftrag hatte. Zu den Gelegenheiten musste Robert die kleinen Racker davon abhalten, ihre Mutter zu belästigen.
»Du hast es doch freiwillig getan. Im Übrigen war das eine ziemlich moderne Einstellung, der Ehefrau den Rücken freizuhalten.« Sie setzt sich neben ihren Vater.
Robert schmunzelt über dieses Lob. »Darauf kommt es nicht an, Sam. Ich musste immer funktionieren. Ich bin ein Familientier, ich will unkomplizierte,
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