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Titel: B00DJ0I366 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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fröhliche Menschen um mich.«
    »Sind wir so kompliziert?«
    »Sam, komm schon. Ihr seid inzwischen erwachsen und wir müssen nicht mehr reden, als wäre euch als Kindern die Liebe entzogen worden.«
    Sam spürt, dass Robert recht hat. Doch sie ist so aufgewühlt, könnte übersprudeln vor Fragen und Vorwürfen.
    »Womöglich könntest du mir eher vorhalten«, macht Robert weiter, »dass ich ein problemloses Zuhause suche. Ich will mal am Abend vor dem Fernseher sitzen und ein Bier trinken. Deine Mutter findet das anstößig. Nicht intellektuell genug. Ich habe ihre Art, das Leben zu sehen, dermaßen satt! Sie kritisiert zu viel, ist so perfektionistisch, dass ich mir oft wie ein ekelerregendes Würmchen vorkomme.«
    »Aber Dad!«
    Er legt den Kopf schief, als er Sam eindringlich ansieht.
    »Sam, du kennst Victoria doch. Sie hat dieses Majestätische, das ihr Name bereits suggeriert. Victoria gönnt sich selbst nicht die kleinste, spontanste Freude. Alles muss höchsten Ansprüchen genügen. Dafür bin ich nicht der richtige Partner.«
    »Warum redest du nicht mit ihr?«
    Ein Schwan gleitet über den stillen Teich.
    »Was soll ich sagen?«
    »Dass du unglücklich bist.«
    Robert lacht auf. »Meinst du, deine Mutter wird das als Argument gelten lassen? Denkst du, sie selbst war jemals glücklich?« Seine Stimme trieft vor Sarkasmus.
    »Warum sollte sie nicht glücklich sein?«, fragt Sam verständnislos und blickt auf den Schwan, der bewegungslos auf dem Wasser sitzt, auf Brotreste wartend, als könne er ihr die Frage eher beantworten als ihr Vater. »Sie hat eine Familie, eine Karriere, sie hat eine Arbeit, die sie liebt.«
    Robert wirft ihr einen ungläubigen Blick zu. »Woher weißt du von Grace?«
    Sie berichtet. Roman erwähnt sie wie nebenbei; sie spricht von der Übersetzung, die Isaac in Auftrag gab, und von der Blanca nichts wusste.
    »Kannst du dir vorstellen, was für ein entsetzlicher Schock es für Victoria war, ohne ihre Schwester zurückzukehren?« Robert reibt sich das Gesicht.
    Sam hat den Eindruck, dasselbe Argument schon einmal gehört zu haben.
    »Überleg mal, du wärest mit Nikolaj in den Urlaub aufgebrochen – und er wäre vor deinen Augen eine Klippe hinuntergestürzt. Victoria war traumatisiert. Ihren Eltern gegenüber spielte sie die coole Tochter, die durchhält, die es irgendwie schafft, über diese Tragödie hinwegzukommen. Sie wollte weder Blanca noch Isaac belasten. Die beiden waren völlig schockiert. Sie hatten keinen Leichnam, von dem sie sich verabschieden konnten. Isaac wollte sowieso nicht hinnehmen, dass Grace wirklich tot ist. Er dachte, solange er höchstpersönlich ihre Leiche nicht identifiziert hat, glaubt er nicht, dass sie nicht mehr lebt. Er pochte darauf, die Leiche haben zu wollen.«
    »Wusstest du von den Polizeiprotokollen, die er angefordert hat?«
    Robert schüttelt den Kopf. »Nein. Bitte glaub mir.«
    Sam verzieht das Gesicht. Sie versucht ihm zu glauben, aber sie hat dermaßen viele Versionen von allem gehört, dass sie manchmal denkt, die wirkliche Geschichte habe so viele Gesichter wie Beteiligte.
    »Warum, glaubst du, wollte er die Unterlagen lesen?« Der Schwan verliert das Interesse an ihr und Robert und dreht bei. »Weißt du, es sind zwei Protokolle, eines, das aufgenommen wurde, als Mutter den Unfall meldete. Danach gab es eine Ortsbegehung in Polizeibegleitung. Helfer suchten den unteren Klippenrand ab, ohne eine Leiche zu finden. Grace muss ins Meer gestürzt und sofort von der Strömung rausgetragen worden sein. Wenn sie den Sturz überlebt hat, ist sie wahrscheinlich ertrunken. Aber die Polizei nahm an, dass Grace auf einen Felsen aufschlug und sofort tot war.« Sie fröstelt.
    »Grauenhaft.« Robert schüttelt sich. »Weißt du, womöglich wollte Isaac diese Protokolle haben, weil sie ihm ein wenig Sicherheit gaben. Dass Grace tot sein muss, dass er die Geschichte auch für sich selbst abschließen kann. Du warst damals noch so klein, Sam. Wir mussten uns um dich kümmern. Wir durften uns nicht zu weit in die Trauer ziehen lassen. Das hat uns in gewisser Weise gerettet. Du bedeutetest Zukunft.«
    »Willst du Mutter verlassen?«
    »Nein. Ich will weder Mutter noch euch verlassen.«
    »Weiß Eva das?«
    »Mach es nicht so kompliziert, Sam. Gib mir eine Chance.«
    »Sie macht sich bestimmt Hoffnungen! Alle Frauen in ihrer Situation würden das tun!«
    Robert lächelt traurig. »Du hältst mich für einen Loser.«
    »Nein. Aber ich will verstehen!«

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