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Geliebter mit einem Bücherwurm verkehrte. Aber diesmal hielt ich die Klappe, denn schließlich hatte meine Mutter schon lange kein Buch mehr in der Hand gehalten.
Sie bevorzugte neuerdings das Halten von edlen Designertüten. Beinahe täglich ging sie mit Hugo zum Einkaufen. In meinen Augen ein kostspieliger Zeitvertreib, den ich argwöhnisch verfolgte. Abgesehen davon, dass ich Angst hatte, dass meine Mutter zu viel Geld verprasste, befürchtete ich obendrein, dass sie durch ihre zur Schau gestellte Verschwendungssucht, unter Berücksichtigung der tragischen Umstände, in einem ungünstigen Licht erscheinen könnte.
Um es beim Namen zu nennen: Die beiden benahmen sich, als hätten sie sich an der beispielhaften Vorlage von Hänsel und Gretel orientiert, und eine reiche Tante ins lodernde Jenseits befördert.
Ein Jahr später war das Bücherparadies, so nannte sich nun die Buchhandlung meiner Mutter, fertiggestellt.
Außerdem besaß meine Mutter nun Zweihunderttausend Mark Schulden . Onkel Hugo einen neuen Maserati und ich einen Affen, der endlich stubenrein war.
Vorbei die Zeit, als Eukalyptus im Kronleuchter schaukelte und uns beim Essen auf die Teller pinkelte. Und vorbei die Zeit, als ich stundenlang unter dem Birnbaum verweilte . Geduldig seinen Namen gen Baumkrone zirpte und aus Dank von ihm mit unreifen Birnen beworfen wurde. Damals nahm ich diese Demütigung tapfer hin und war dem Schicksal dankbar, dass ich nicht unter einer Kokospalme stand.
Meine Mutter sah trotz ihrer Schulden, optimistisch in die Zukunft. Verständlich, denn die Verkaufsfläche des Ladens erstreckte sich nun über drei Etagen, die hell und modern ausgestattet war. Abgesehen von den gemütlichen Leseecken, die von den Regalen mit großen Fächerpalmen abgetrennt waren, gab es sogar einen Kaffeeautomaten. Herr Hugo hatte aufgrund der einladenden Atmosphäre, große Bedenken, dass sich hier Tagelöhner und Schmarotzer ihre Zeit vertreiben könnten.
„Mit dem Pack werde ich schon fertig!“, konterte meine Mutter mit ungewohnter Entschlossenheit, als hätte sie ihre soziale Gesinnung gegen eine Mitgliedschaft in einem renommierten Schlägertrupp eingetauscht.
Aber vorläufig fieberten wir alle gemeinsam dem Tag der Einweihung entgegen, zu dem sich nicht nur der Bürgermeister mit seinem Gefolge, sondern auch die lokale Presse angesagt hatte.
Wenn ich damals gewusst hätte, dass sich das Bücherparadies, außer zu einer Goldgrube, auch zu einem schier unerschöpflichen Jagdparadies von paarungswilligen Bücherwürmern entwickeln würde, hätte ich kurzerhand der Putzfrau den Schrubber aus der Hand gerissen und wäre schon mal Probe geritten, anstatt sie herumzukommandieren.
Eine Woche später war es dann soweit.
Der Bürgermeister hielt eine feierliche Ansprache. Meine Mutter bedankte sich bei den Handwerkern, die nicht anwesend waren und immer noch auf ihren Lohn warteten. Herr Hugo lobte die Kooperation der damaligen Mieter, die er innerhalb von zehn Tagen auf die Straße gesetzt hatte, und ich stand im Blitzlichtgewitter.
Diesen Showeffekt hatte ich natürlich Eukalyptus zu verdanken, der an diesem Tag ein regelrechtes Affentheater veranstaltete. Er biss in die Mikrophone der Reporter, riss einem aufgetakelten Schoßhündchen die Schleife aus der drapierten Mähne und trank die herumstehenden Weingläser leer, bis er einem Vollrausch erlag.
Erst als er in meinen Armen einschlief und zufrieden an seinem Daumen lutschte, konnte ich meine Showqualitäten unter Beweis stellen. Nur gut, dass ich mich für meinen Auftritt entsprechend vorbereitet hatte. Ich trug eine schwarze Lederhose, die mir wie Pech am Leib klebte. Dazu Lederstiefeln mit Sporen. Eine weiße halbtransparente Bluse, über die ich mindestens zehn Halsketten trug und somit jedem Spanner mutwillig die Sicht versperrte. Meine Hände waren in schwarze Samthandschuhe gehüllt, über die ich meine protzigen Ringe gestreift hatte. Und auf meinem Kopf befand sich ein Hut, in der Größe eines Ersatzrades, an dem eine Rosenblüte steckte, die verzweifelt gegen den verruchten Charme meines rot geschminkten Mundes ankämpfte.
Ich gab Interviews bis die Mikrophone glühten , und lächelte mit der Anzüglichkeit eines frühreifen Früchtchens in die Kameras, bis die Objektive beschlugen. Ohne Gewissensbisse erzählte ich den wissbegierigen Redakteuren, dass ich schon tausend Bücher gelesen hatte und momentan das Kapital von Karl Marx lese.
Diese tollkühne
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