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Titel: B00G7SVP3K EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Dietze
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buhlten um meine Freundschaft und kopierten meinen Kleidungsstil. Wogegen sich die Bewunderung der Jungs in höflicher Zurückhaltung äußerte, die aber keineswegs als Desinteresse zu werten war. Im Gegenteil, meine Aura schien gleichsam Hochmut und Frivolität zu versprühen. Ich bekam auf einmal mehr Liebesbriefe als Einträge ins Klassenbuch. Und das sollte was heißen. Denn schließlich hatte ich in Betragen eine Fünf, und ein Tadel im Klassenbuch war für mich genauso selbstverständlich wie das Rauchen auf dem Schulklo.
    Zu meiner Enttäuschung befand sich kein einziger Brief unter den Liebesbotschaften, der mir schmachtreif genug erschien, als das ich mich motiviert fühlte, darauf zu antworten. Bis auf einige Ausnahmen, bei denen weniger der Verfasser als vielmehr die Orthographie dazu bewegte, mit einer Korrektur zu antworten.
    Bis mir eines schönen Tages meine Freundin ein weißes Couvert zusteckte, von dem ich erst glaubte, dass es wieder eine der typischen Vorladungen für meine Mutter war, die mir in regelmäßigen Abständen im Auftrag meiner Klassenleiterin übergeben wurde.
    Aber diesmal war alles anders. Diesmal wurde ich nicht wegen meines schlechten Betragens, sondern wegen meiner verführerischen Ausstrahlung vergöttert. Und das ausgerechnet von Ferdinand Graf, der über den Stimmbruch schon längst hinausgewachsen war und mir mit seinen achtzehn Lenzen wie ein alter Knacker vorkam. An dem ich immer höchstkonzentriert vorbeigeschaut habe, um bloß nicht in den Verdacht zu geraten, ihn toll zu finden . Weil ich mich nicht in die Schar seiner heißblütigen Verehrerinnen einreihen wollte, die ihre sexuelle Verfügbarkeit mit einem verheißungsvollen Augenzwinkern demonstrierten, oder sich vulgär über ihre Lippen leckten, was als verbindliche Orgasmusgarantie zu verstehen war.
    Nein . Lieber hätte ich mich freiwillig zum Ernteeinsatz gemeldet, als mit einem notgeilen Pantomimenspiel auf mich aufmerksam zu machen. Mag sein, dass ich versehentlich mal in seine Richtung geblinzelt hatte. Dann aber nur, weil mir ein Staubkorn ins Auge geflogen war, und über meine Lippen, habe ich mir nur geleckt, wenn ich meinen Libello Stift vergessen hatte.
    Nur weil der Typ in einer Band seine selbstverfassten Schnulzenballaden mit der Hingabe eines verschmähten Romeos krächzte , bei seinen Auftritten eine knallenge Lederhose trug, die im Schritt eine beträchtlich Beule aufwies, und seine Elektrogitarre mit der animalischen Leidenschaft bearbeitete, als würde er ein unersättliches Weib befriedigen, war das längst kein Grund, mich als hysterisches Groupie zu verdingen. Ein für meine Begriffe, ein recht kümmerlicher Anreiz, der mir aber immerhin noch ausreichend genug erschien, seinen Brief zu lesen. Könnte ja gut möglich sein, dass ich danach einem Orgasmuskrampf erlag.
     
    Liebe Luisa,
    w enn ich Dich sehe, sticht mein Herz,
    es ist dieser kleine wohlige Schmerz,
    der mich glücklich macht, weil Du mich auf eine
    verführerische Weise ignorierst und dabei genau spürst,
    wie du das Feuer in mir schürst.
    Es ist Deine Arroganz, die mich reizt,
    Dein erhabener Blick, mit dem Du geizt,
    Deine Bewegungen, mit denen Du mein Verlangen
    zum Siedepunkt treibst.
    Ich liebe Dich aus der Distanz.
    Wenn ich könnte, wie ich wollte,
    würde ich mich vor Deine Füße werfen,
    bis Dich mein Flehen erweicht
    und sich Gnade in Dein Herz schleicht.
    Wenn Du wüsstest, wie ich leide,
    Deine Gegenwart meide,
    aus Angst ich könnte mich vergessen
    und meine Lippen auf die Deinen pressen.
    Sei getrost, ich werde es nicht wagen,
    Dich gewiss vorher fragen, bis dahin, Dich, Geliebte,
    in meinem Herzen tragen und die Distanz ertragen.
     
    Der Deine, Ferdinand
     
    Um ganz ehrlich zu sein, habe ich den Brief genau achtundfünfzig Mal gelesen, bis ich den Text auswendig konnte, und mindestens zehnmal meinen Namen auf dem Couvert überprüft. Als ich den Brief zum sechzigsten Mal gelesen hatte, war ich mir ganz sicher, dass es sich bei dem Brief auf keinem Fall um eine Fälschung handeln konnte.
    Viel logischer erschien mir der Verdacht, dass Ferdinand sich in seiner Eitelkeit verletzt fühlte, weil ich keinerlei Notiz von ihm nahm. Genau das war es, was mich reizvoll für ihn machte. Als ich den Brief, rein sporadisch, noch vierig Mal überflog, stellte ich mir vor, wie dieser heißblütige Jüngling, vor den Augen seiner Verehrerinnen auf seine Knie sank und mir aus dem perspektivischen Blickwinkel eines Delinquenten

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