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Titel: B00G7SVP3K EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Dietze
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auf mich richtete und mir gleichzeitig einen verräterischen Handkuss zuhauchte. Was mir bei seinen Verehrerinnen die ersten Strafpunkte einbrachte. Denn außer seinem Handzeichen, flogen mir empörte Buhrufe sowie eine leere Bierdose entgegen. Aber das war nicht das Schlimmste. Viel beängstigender empfand ich die Hühner, die sich plötzlich in blutrünstige Geier verwandelt hatten, und deren Blicke wie Speerspitzen auf mich gerichtet waren.
    „ Ich muss hier weg!“, schrie ich meiner Schwester ins Ohr, weil die Musik so laut war.
    „ Wo willst du hin?“, fragte sie und deutete mit einer Kopfbewegung auf den brodelnden Hexenkessel, der sich unter uns befand und sich langsam, aber eindeutig, in Ekstase tanzte.
    „ Die werden dich lynchen!“, warnte sie mich lachend und hielt mir die Wodkaflasche unter die Nase.
    „ Hier trink, das wird dich beruhigen!“
    Ich gehorchte und fühlte mich auch gleich viel geschmeidiger. Was mich dazu animierte wie eine Table Tänzerin mit meinen Hüften zu schwingen und laut mitzusingen. Aber insgesamt betrachtet, nicht wirklich ein guter Einfall war, da Ferdinand sich nun verpflichtet fühlte, meine anzügliche Darbietung entsprechend zu lobpreisen. Er schaute viel zu oft, und vor allem viel zu intensiv, auf meine Plattform, so dass mir die zweite Verwarnung entgegenschmetterte.
    Diesmal in Form einer vollen Colabüchse, die mich nur knapp verfehlte und meiner Schwester auf ihrer weißen Jeans landete. Ich bekam diesen Anschlag gar nicht richtig mit, da ich höchstkonzentriert damit beschäftigt war, das Kreisen meiner Hüften mit dem obszönen Wackeln meines Hinterteils unter einen Hut zu bringen.
    „Wir müssen hier weg!“, brüllte mich plötzlich meine Schwester an.
    „ Wo willst du denn hin? Wir stehen auf einer Klippe und unter uns tobt das tosende Meer!“, kicherte ich beschwipst.
    Mein Vergleich war nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Keller fühlte sich an, als wäre er elektrisch aufgeladen . Es herrschte eine Spannung in der Luft, die den Zeiger eines Voltmeters zum Ausschlagen gebracht hätte. Es flogen Büstenhalter, Spitzenunterhöschen und farbenfrohe Kondome mit der Aufschrift „Fick mich“ auf die Bühne.
    „ Hier trink!“, befahl ich, reichte meiner Schwester die Wodkaflasche und sah abschätzend von meiner Klippe auf die kreischende Bagage herab, deren Anfeindungen ich mich, nach einer halben Flasche Schnaps, durchaus gewachsen fühlte. Hie und da, spuckte ich schon mal von oben herunter, oder streckte meine Zunge heraus, wenn ich dumm angepöbelt wurde und mein Ausdruckstanz mit dem hoch gestreckten Mittelfinger bewertet wurde. Deswegen verstand ich Rosalie überhaupt nicht, dass sie mich zum wiederholten Male ermahnte zu verschwinden.
    „ Wir könnten dort hinten aus dem Fenster klettern!“, schlug sie ungeduldig vor und verwies auf ein rundes Fenster, durch das vielleicht ich gepasst hätte, aber sie garantiert darin stecken geblieben wäre. Ich winkte gleichgültig ab, denn ich hatte Besseres zu tun, als mich mit Fluchtgedanken zu befassen. Meine geistige Verfügbarkeit richtete sich auf die Bühne, wo Ferdinands neuester Song mit einem ohrenbetäubenden Trommelwirbel angekündigt wurde. Das Licht wurde gedämpft und Ferdinand bat um Ruhe. Er rückte das Mikrophon zurecht und schaute verschmitzt in die schweigende Menge, räusperte sich und sagte leise:
    „ Mein neuester Song heißt: I love from distans , und ich habe ihn einer Frau gewidmet, die heute unter euch weilt ...“
    Das war verdammt mutig! Wer außer mir sollte das schon sein ? Aber was zum Teufel bezweckte dieser Typ? Schirmherr einer Treibjagd zu werden? Instinktiv ließ ich meine Augen zu dem runden Fenster schweifen und genehmigte mir einen tiefen Schluck Wodka, als ich sah, dass das Fenster von außen vergittert war. Aber ich sah auch, dass ich nicht die Einzige war, die sich von Ferdinands Widmung angesprochen fühlte. Nur mit dem Unterschied, dass ich die Liebesbotschaft bereits als deutsche Übersetzung kannte.
    Ferdinands Balzverhalten war an Auffälligkeit nicht zu überbieten. Er machte keinerlei Hehl daraus, für wen er seinen Song geschrieben hatte und blickte, während er sang, unmissverständlich in meine Richtung. Wenn ich nüchtern gewesen wäre, hätte ich meinen Kopf noch aus der Schlinge ziehen können, indem ich mich provokativ abgewandt und mit meiner Schwester über den historischen Wert und die hervorragende Bausubstanz des sakralen Gewölbekellers

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