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aber keinesfalls dem Klischee des willigen Weibchens entsprach.
Sie besaß eine unbeugsame Arroganz, der man auf unerklärliche Art erlag, aber dennoch genügend Herzenswärme, dass man sich in ihrer Gegenwart geborgen fühlte. Ihr unkompliziertes Wesen, wie sie mit den Dingen des Lebens umzugehen verstand, als hätte sie die Leichtigkeit des Seins auf Lebenszeit gepachtet, war für mich eine beneidenswerte Gabe, deren Oberflächlichkeit ich mich nur allzu gern fügte. So war es nicht verwunderlich, dass Tantchens Lebensstil bei mir abfärbte, und sich ihre Ansichten wie Wegweiser meinen weiteren Lebensweg, wenn auch unbewusst, beeinflussten.
Kap itel 3
Am nächsten Morgen wurde ich durch ein unruhiges Stimmengemurmel aus meinen Schlaf geweckt. Ich hörte meine Mutter mit ihrem zaghaften Stimmchen auf Kunigunde einreden, und meine Tante, die ihr mit einem wesentlich energischeren Tonfall permanent ins Wort fiel.
„ Die Kleine bleibt vorerst bei mir, kümmere du dich lieber um deinen Buchladen!“, hörte ich sie befehlen.
„ Willst du damit sagen, dass ich mich nicht genügend um das Kind kümmere?“, regte sich meine Mutter lautstark auf. Bekam aber gleich einen Hustenanfall, weil ihre Stimmbänder für ein derartiges Klangvolumen nicht ausgestattet waren.
„ Ja, das meine ich! Für dich waren deine Bücher doch immer wichtiger, als alles andere. Hättest vielleicht ab und an etwas anderes in die Hand nehmen sollen als ein Buch. Dann wäre Alexander nicht immer zu anderen Frauen gelaufen!“, schimpfte Kunigunde aufgebracht, so dass ich ihre Armbänder bis in mein Zimmer klappern hörte.
„ Na, das sagt ja genau die Richtige!“, konnte ich noch aufschnappen.
Danach vernahm ich nur noch die hastigen Schritte meiner Mutter und das knatternde Motorengeräusch ihres Motorrollers.
Zwei Stunden später, saß ich mit Kunigunde am Frühstückstisch, die mir freudestrahlend berichtete, dass sie mich gleich für zwei Wochen in der Schule, wegen angeblicher Windpocken krankgemeldet hatte.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich in meiner Tante einen wertvollen Menschen gefunden hatte, dessen selbstlose Gesinnung, barmherzige Güte, weit mehr als nur eine edle Geste war . Tante Kunigunde war eine verwandte Gattung, die meinen Erbanlagen am ähnlichsten war.
Bei ihr gab es zum Frühstück kein aufgeweichtes Trockenfutter, und heiße Milch, bei der sich die Haut absetzte . Nein, Tantchen servierte mir gebackene Waffeln mit Schlagsahne und meine Lieblingscola. Anschließend reichte sie mir noch einen Pralinenkasten, in dem sich nur Schnapspralinen befanden, und aus dem ich mich aus Herzenslust bedienen durfte.
Sie selbst bevorzugte zum Frühstück ein Glas Portwein . Einen starken Mokka, aus dessen Kaffeesatz sie herauslas, dass ein schöner Tag bevorstand. Und zum krönenden Abschluss, steckte sie sich noch eine selbst gebastelte, tütenförmige Zigarette an.
Es dauerte nicht lange, bis sich im Raum ein seltsam er, aber wohlriechender, süßlicher Duft ausbreitete und in mir ein angenehmes Schwindelgefühl auslöste. Und auch nicht mehr allzu lang, bis Tantchen dasaß, als wäre sie erleuchtet und mich an meinen Laternenmond erinnerte. Aber trotz ihrer gläsern schimmernden Augen, wirkte sie entspannt und auf rätselhafte Weise, geistig hoch motiviert.
„ Du wirst mal ein schönes Mädchen Luisa, um dich werden sich einmal die Männer in Stücke reißen!“, verkündete sie durch die dicken Rauchschwaden, die ich wie den lieblichen Duft von Maiglöckchen tief einatmete.
Ich hoffte , dass es sich bei ihrer Prophezeiung, nicht nur um ein vages Wunschdenken, sondern um einen im Delirium ausgesprochen Fluch handelte, der aufgrund der spirituellen Gegebenheiten auch gefälligst in Erfüllung ging.
„ Kannst du mir das schriftlich geben?“, hätte ich am liebsten gefragt, aber ich bekam keinen Ton heraus. Meine Zunge hing schwer wie Blei aus meinem linken Mundwinkel, so dass ich nur ein befremdliches Lallen hervorbrachte. Was Tantchen dazu bewog, mich schleunigst aus ihrem Dunstkreis zu verbannen.
Sie riss die Balkontür auf und stellte mich samt meine m Stuhl wie eine eingegangene Topfpflanze auf der Terrasse ab. Aufgeregt klatschte sie auf meine erhitzten Wangen ein. Steckte mir zu allem Überfluss auch noch einen Finger in den Hals, bis sich meine Lähmungserscheinungen durch den ausgelösten Würgekrampf schlagartig verflüchtigten.
„ Mein Gott Kindchen! Du bist ja stockbesoffen, und das
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