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nur wegen ein paar Pralinen!“, hörte ich sie vorwurfsvoll auf mich einreden. Während sie mir den Kopf in die vertrocknete Erde eines Blumenkübels drückte. Wobei mir ihr Tonfall, der mehr verständnislos als besorgt klang, nicht entging und mir mehr als verdeutlichte, dass man wegen zwanzig Schnapspralinen doch bitteschön nicht gleich aus den Kinderlatschen zu fallen hatte. Aber meine gute Kondition schützte mich vor weiteren Argwohn, so dass ich eine Stunde später, wieder im vollen Besitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte war und mich belastbar genug fühlte, Tantchens Einkäufe zu erledigen. Allerdings zu meiner Verwirrung, ohne Geld.
„ Du gehst zu Herrn Onkel Hugo in die Metzgerei am Stadtplatz und sagst, dass du die Nichte von Frau Kunigunde Elster bist. Hast du mich verstanden!“, redete sie eindringlich auf mich ein. Drückte mir einen großen Bastkorb in die Hand und gab mir zum Abschied einen aufmunternden Klaps auf meinen Hintern, bevor sie die schweren Metallriegel, die an der Eingangstür befestigt waren, zur Seite schob und die Tür aufschloss.
Frohgemut machte ich mich, bekleidet mit meinem roten Wollmantel und dem leeren Korb am Arm , und auf noch leicht schwankenden Beinen, auf den Weg. Dabei muss ich wohl wie die alkoholisierte Version von Rotkäppchen ausgesehen haben. Denn als ich an einer Baustelle vorbeihüpfte und beinahe in eine ausgehobene Grube fiel, weil mir meine Balance einen Streich spielte, schrie mir ein Bauarbeiter lachend hinterher:
„ Na, Kleene, haste den Wein deiner Großmutter selbst getrunken?“
Ich ließ mich von dem schallende n Gelächter der Arbeiter nicht irritieren. Revanchierte mich mit ausgestreckter Zunge und lief weiter in Richtung Stadtplatz, bis ich vor dem großen Feinkostgeschäft von Hugo Schmittke stand. Zu dem, außer einer Metzgerei, auch eine Konditorei und eine Schlachterei gehörte.
Mit Mühe und Not gelang es mir , die schwere Eisentür zur Schlachterei zu öffnen. Ich musste mich förmlich an den schrägstehenden Hebel hängen, bis ich es endlich schaffte, mir Zutritt ins Paradies der Schweinhälften zu verschaffen.
Man muss mich schon erwartet haben . Denn das anwesende Personal, stand mit gewetzten Fleischmessern in der Hand bereit und gaffte mich unschlüssig an. So als ob man sich noch nicht entscheiden könne, ob man mich gleich durch den Fleischwolf drehen oder mich doch lieber als dekorative Beilage mundgerecht in kleine Stücke hacken sollte. Der makabren Lage angepasst, piepste ich “einen schönen guten Morgen“ aus mir heraus und machte einen artigen Knicks.
„ Mein Name ist Luisa. Ich bin die Nichte von meiner Tante. Die hat mich hierher geschickt ... aber ohne Geld“, stotterte ich nervös. Ohne zu merken, dass ich mit meinen Lackschuhen in mitten einer Blutlache stand.
„ Wie heißt denn deine Tante?“, wollte ein kleiner wohlbeleibter Mann von mir wissen, der mit Gummistiefeln und einer blutverschmierten Plastikschürze auf mich zugestapft kam.
Seine eingedrückte Nase sah aus, als wäre er irgendwann gegen eine gefrorene Schweinehälfte gelaufen . Wogegen mich seine leicht schräg stehenden Augen freundlich anblinzelten. Wie Erwachsene eben so gucken, wenn sie sehr viel Freude an ihrer Arbeit haben.
„ Kunigunde Elster, Rosshalde 1a!“, antwortete ich gewissenhaft und wunderte mich, dass ich für mein Mitteilungsbedürfnis bei zwei Gesellen ein Kichern auslöste.
„ Was gibt es da zu kichern! Die Schweine wollen zerlegt werden! An die Arbeit! Ihr fresst mir eh schon alle Haare vom Kopf!“, empörte sich der korpulente Mann und strich mit seinem Taschentuch über seine mit Schweißperlen übersäte Glatze.
„ Na, komm mit Kleene“, bat er mich und geleitete mich in einen Vorratsraum.
„ Ich heiße übrigens Hugo!“, sagte er lächelnd.
W obei er meinen Korb mit allerlei Wurstspezialitäten auffüllte, und ich mir obendrein auch Plätzchen aus der Konditorei aussuchen durfte.
Ich bedankte mich bei Herrn Onkel Hugo für seine Großzügigkeit und versprach i hm hoch und heilig, dass ich ihn bei allen Kindern, die mir auf der Straße, im Bus, auf dem Spielplatz, und vor allem in der Schule begegnen, wärmstens weiterempfehlen werde.
„ Ne, lass mal, ich brauch keine Werbung“, versuchte er mich in meinen Marketingstrategien zu bremsen. Dann schob er mich unauffällig beiseite und flüsterte mir einen merkwürdigen Satz ins Ohr, den ich Kunigunde ausrichten sollte.
„ Die Wurst ist rund und
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