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Handgreiflichkeiten nichts mitbekam. So gelang es mir, die Vierbeiner an ihren Strasshalsbändern aus ihrem schützenden Dickicht hervorzuziehen. Und zumindest zwei dieser zottigen Kratzbürsten auf meinen Schoß zu platzieren. In der Hoffnung, mit einer friedlichen Performance bei Tantchen Eindruck zu schinden. Als sie mit einem Tablett wieder zurück ins Zimmer kam, reagierte sie wie erwartet, zutiefst ergriffen. Sie hielt kurz inne, um dieses harmonische Miteinander auf sich einwirken zu lassen.
„ Ach Kindchen, wie schön, dass ihr euch so gut versteht“, schmachtete sie, während ich ihr mit einem milden Lächeln beipflichtete und den unruhigen Zotteltieren mit Hilfe ihrer Halsbänder langsam die Luft abdrückte, um sie an ihren aufkeimenden Fluchtabsichten zu hindern.
„ Diese liebreizenden Tierchen gehören quasi zum Inventar“, zwinkerte sie mir verschwörerisch zu und stellte ihr silbernes Tablett ab.
„ Ich gehöre ja nun auch zum Inventar. Bekomme ich jetzt auch so ein schönes Halsband wie die Katzen?“ Tante Kunigunde ignorierte mein Bedürfnis auf Sippenhaft, mit einer huldvollen Geste und bat mich zu Tisch. Ich trank Cola aus einem goldumrandeten Kristallkelch, der das Füllvolumen einer Obstschale besaß, und auf dem echten Meißner Porzellanteller, lagen zwei pralle Weißwüste, die mir verlockend entgegendampften. Nach dem Verzehr von letztlich vier dicken Würsten und drei Kelchen, gefüllt mit koffeinhaltiger Brause, bestärkte ich Tantchens Triumph, mich vor dem Hungertod bewahrt zu haben und besiegelte das deftige Mahl mit einem formvollendeten Bäuerchen. Danach fühlte ich mich wie ein mit Propangas gefüllter Ballon. Dick genug, um gleich zu platzen und beschwingt genug, um jeden Moment abzuheben. Ich purzelte mit leichten Gleichgewichtsstörungen von meinem Stuhl. Als mich Tantchen dazu aufforderte, in ihr Schlafgemach zu folgen.
Obwohl es schon weit nach Mitternacht war, machte Kunigunde keinerlei Anstalten mich zur Ruhe zu betten, sondern heizte mein ohnehin schon erhitztes Gemüt noch kräftig ein, indem sie mir mit einem geheimniskrämerischen Augenaufschlag eine Überraschung versprach.
Das gelang ihr im Prinzip schon im Vorfeld. Denn ihr Schlafzimmer, das sich eine Treppe höher befand, entpuppte sich als geräumiges Spiegelkabinett. An den Wänden hingen großflächige Spiegel, die den Raum optisch vergrößerten und das mitten im Raum thronende Himmelbett vervielfältigten.
Gern hätte ich Tantchen gefragt, warum sie ihr Schlaflager ausgerechnet mit schwarzer Bettwäsche überzogen und den Betthimmel ebenso mit tiefschwarze m Trauerflor dekoriert hatte. Und welche Funktion die vielen Spiegel erfüllen sollten. Aber mein naives Ansinnen erübrigte sich, weil ich über die ausgestopfte Trophäe eines Tigerkopfes stolperte, der in Form eines Zierteppichs am Boden lag.
„ Kindchen hast du keine Augen im Kopf, du kannst doch dem Tier nicht in den Rücken fallen!“, lachte sie und führte mich zu einer antiquierten Spiegelkommode, auf der eine Schmuckschatulle aus Mahagoniholz stand, aus der sie ein Perlencollier herauskramte und mir um den Hals legte.
Meine Augen begannen wie Glückräder zu rotieren, als mir die Schmuckstücke in ihrer farbenfrohen Pracht entgegenstrahlten. Ich war dermaßen fasziniert vom Inhalt der Schatulle, dass ich völlig vergaß, mich bei ihr für die Kette zu bedanken, die mittlerweile meinen Hals zierte. Erst als sie besorgt zu mir herabblickte und mich dabei musterte, wie ich mich wie eine Zwergdiva vor dem Spiegel drehte, sich dabei nachdenklich am Ohr kratzte und mich darauf aufmerksam machte, dass es schon sehr spät sei und ich langsam zu Bett gehen müsste, erlangte ich meine Sprache wieder.
„ Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du mir deinen Schmuck einmal vererbst“, forderte ich trotzig und blickte in ihr fahl gewordenes Gesicht. Sie räusperte sich, als könne sie sich nicht so recht entscheiden, ob sie mich jetzt in Stücke reißen, oder mir einer ihrer Broschen, in Form eines Ordens, an meine Hühnerbrust heften sollte. Tante Kunigunde reagierte mit dem pädagogischen Charme einer Sozialarbeiterin für schwererziehbare Kinder und ließ sich nötigen.
„ Ja Luisa, das verspreche ich dir“, würgte sie aus sich heraus.
„ Dann kannst du mir dein Versprechen auch schriftlich geben!“, forderte ich und zog sie sanft an den kleinen Biedermeiertisch, der am Fenster stand. Drückte ihr den Füllfederhalter an die Brust und bat
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