B155 - Die Mafia schickte ihre Henker
interessant zu werden.
»Zuerst müssen Sie mir versprechen, daß Sie absolutes Stillschweigen über unsere Unterredung bewahren, Cotton! Wenn auch nur ein einziges Wort davon in die falschen Ohren kommt, bin ich ein toter Mann. Dann legen mich meine eigenen Leute um. Mit der Polizei oder dem FBI zusammen zu arbeiten, ist das größte Verbrechen, das ein Mitglied des Syndikats begehen kann. Darauf steht der Tod. Ohne Ansehen der Person.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Deshalb mußte der Mann sterben, der hier lag. Genau da, wo Sie jetzt stehen. Er hat Sie gesehen, und deshalb mußte er sterben.«
»Hören Sie endlich mit dem Blödsinn auf! Ich habe wirklich Wichtigeres zu tun, als mir Ihre Hirngespinste anzuhören.«
»Wo ist eigentlich Hoagy?« fragte ich ungerührt weiter. »Lebt er noch?«
»Zum Teufel mit Hoagy!« brüllte de Sica unbeherrscht. »Es geht um meine Tochter. Um Marietta! Sie ist in Lebensgefahr. Deshalb habe ich Sie hierherkommen lassen. Ich möchte Sie um Ihre Hilfe bitten, Cotton. Ich bezahle Ihnen dafür, soviel Sie wollen.«
»Im Märchen bekommt der junge Mann, der dem König aus der Patsche hilft, immer des Königs hübschestes Töchterlein und des Vaters halbes Reich.«
»Sie bekommen, was Sie wollen!« sagte de Sica noch einmal. »Wenn es sein muß, eine Million. Das Leben meiner Tochter ist mir mehr wert als alles andere auf der Welt.«
»Ich bin verpflichtet, jedem Bürger zu helfen, der meine Hilfe braucht. Sogar Ihnen, de Sica, obwohl Sie einer der größten Schufte sind, die es gegenwärtig auf der Welt gibt. Ich werde Ihnen helfen, wenn sich das mit dem Gesetz und mit meinen Pflichten vereinbaren läßt. Und ich verlange kein Geld dafür. Behalten Sie Ihre schmutzigen Millionen! Es klebt zuviel Blut daran. Zuviel Elend und menschliches Leid. Also, was ist mit Ihrer Tochter?«
»Sie ist entführt worden.«
Die Situation war fast zum Lachen. Es gibt kreuzbrave, anständige Leute, die sich weigern, die Polizei zu informieren, wenn ihr Kind entführt wird, und dieser Verbrecher hier, der die Polizei haßte wie die Pest, erbat meine Hilfe!
De Sica bemerkte mein Erstaunen. »Ich lüge Sie nicht an, Cotton. Die Gefahr, die meiner Tochter droht, ist eine zu ernste Sache, als daß ich darüber Witze machen würde. Ich verstehe, daß es Ihnen schwerfällt, mir zu glauben. Aber es ist die Wahrheit, Cotton, das schwöre ich Ihnen!«
Die Schwüre dieses Mannes hatten keinen großen Marktwert. In meiner Gegenwart hatte er mindestens drei Meineide geleistet. Die Zahl der falschen Aussagen und Schwüre, die er gekauft oder erpreßt hatte, war kaum noch festzustellen. Aber diesmal hatte ich den Eindruck, daß de Sica die Wahrheit sagte. Irgend jemand, der ihn gut kannte, hatte ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen. Der einzige schwache Punkt bei de Sica war seine abgöttische Liebe zu seiner einzigen Tochter.
»Sie fragen sich wahrscheinlich, weshalb ich die Sache nicht in meine eigenen Hände nehme?«
»Ja, genau das frage ich mich. Sie haben bisher noch alle Ihre Probleme selbst gelöst. Die meisten auf sehr radikale und endgültige Weise. Wenn auf jedem Grabstein in New York der Name des Mörders stünde, dann gäbe es wahrscheinlich auf der ganzen Welt keinen Menschen, dessen Name so oft in Stein gehauen wurde wie der Ihre.« De Sica ging nicht darauf ein. Unter anderen Umständen hätte er mich wahrscheinlich dafür ermorden lassen. Aber dieser Mann war nur noch ein Schatten seiner selbst. Von seiner Selbstsicherheit und Kaltblütigkeit war nicht mehr viel übriggeblieben.
Er setzte sich auf einen staubigen Stuhl, der in irgendeiner Ecke stand. Er sah aus, als sei er in den letzten Stunden um zehn Jahre gealtert.
»Sie haben meine Tochter in ihrer Gewalt«, sagte er leise, »und sie werden das Mädchen umbringen. Eiskalt und ohne die geringsten Hemmungen. Ich kann nichts unternehmen, ohne Marietta zu töten.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort, de Sica«, sagte ich kalt.
»Sie haben recht, Cotton, ich habe Ihnen nicht die volle Wahrheit gesagt. Wenn irgendein Schuft meine Tochter entführen würde, um mich zu erpressen, so würde ich ihn mit all meinen Leuten jagen, bis ich ihn gefunden habe. Und dann würde ich ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Aber der Fall liegt anders.«
»Wieso?«
»Ich kann mich auf meine eigenen Leute nicht verlassen. Um mich herum gibt es zuviel Verräter. Ich habe sogar Grund zu der Annahme, daß man mich ermorden will. Zwei meiner besten
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