Babel 1 - Hexenwut
Gegensatz zu dem Gewitter, das sich über ihrer aller Köpfe zusammenbraute, schien dieser Auftrag ein Kinderspiel. Etwas, das man am Rande des Wegs mitnehmen konnte.
Du kannst nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen, Babel, hörte sie die mahnende Stimme in ihrem Kopf, und erstaunlicherweise klang sie dieses Mal wie Sams.
Warum bist du immer da, wenn ich mich schwach fühle?
Wenn du das noch nicht erkannt hast, dann kann ich dir auch nicht helfen.
»Das geht schon in Ordnung, Karl. Ich muss mir einen neuen Plan überlegen, wie ich hier vorgehen will - da tut es mir ganz gut, mal rauszukommen. Außerdem brauchen wir höchstens einen halben Tag dafür.«
»Okay. Aber sag mir, wenn ...«
»Ja. Wir sehen uns morgen.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, saß sie eine Weile bewegungslos auf dem Sofa und starrte durch die Glastür in den Garten. Eine unerwartete Sehnsucht nach Tom erfasste sie. Er hatte etwas an sich, das es einem leichtmachte, ihm zu vertrauen, und dieses Gefühl hatte Babel schon lange nicht mehr gehabt.
Vorsicht! Weißt du nicht, dass man immer das will, was man selbst nicht ist?
Soll das heißen, ich bin nicht vertrauenswürdig?
Warumfragst du nicht Hilmar?
Ihr Blick wanderte wieder einmal zu dem Foto, und fast erwartete sie, dass Hilmars Geist an ihr vorüberschweben würde. Aber da war nichts. Nur die Stille um sie herum. Ihre Schuldgefühle wegen seines Todes speisten sich auch daraus, dass er nie versucht hatte, von der Totenebene aus Kontakt mit ihr aufzunehmen. Nicht ein einiges Mal hatte sie ihn um sich gespürt.
Dazu müsste er dir erst einmal verzeihen, denkst du nicht?
Erst nach einer Weile erhob sie sich, um Jacke und Schuhe in der Garderobe abzulegen und Tom eine Nachricht zu schicken, dass sie wieder zu Hause war und er sie anrufen sollte. In der Küche nahm sie eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich damit auf die Stufen vor ihrem Haus. Der Wind zog an ihren Haaren, und sie spürte, wie ihr leichter zumute wurde. Der Garten beruhigte sie.
Während sie trank, beobachtete sie die Autos, die vorbeifuhren, und Herrn Schneider, der den Gehweg vor seinem Haus vom Unkraut befreite, akribisch und mit einer Schere bewaffnet. Der Löwenzahn hatte keine Chance.
Sie achtete nicht darauf, wie viel Zeit verstrich, doch irgendwann erkannte sie Toms Kombi, der zielsicher vor ihrem Haus parkte, als hätte sie ihn mit ihren Gedanken herbeigerufen. Offenbar hatte Tom keine Schwierigkeiten, durch den Ablenkungszauber zu schauen.
Magie.
Ihr Herz schlug schneller, aber diesmal hatte es nichts mit Schrecken zu tun. Bei seinem Anblick verspürte sie gleichzeitig Freude und Widerwillen - wobei der Widerwille der mahnenden Stimme in ihrem Hinterkopf geschuldet war, die darauf hinwies, dass durch ihre Beziehung zu Tom alles nur unnötig kompliziert wurde.
Aber vielleicht auch besser.
Als er durch das Tor ging, lächelte Babel ihm entgegen. Über seine Schulter konnte sie sehen, wie Herr Schneider ihn miss-trauisch beobachtete. Urd sprang an Tom vorbei in den Garten und bellte die Krähe an, die von ihrem Ast aus auf die Hündin herabsah. Gerade als der Hund zu neuerlichem Gebell ansetzte, ließ die Krähe etwas fallen, das darauf schließen ließ, was sie von der Dogge hielt. Zum Glück konnte Urd rechtzeitig zur Seite springen.
Tom setzte sich neben Babel auf die Stufen und stieß sein Knie leicht gegen ihres. »Hi«, sagte er.
»Hi.«
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, und sie reichte ihm die Flasche rüber. Er nahm einen Schluck, und sie beobachtete, wie sich sein Kehlkopf bewegte, als er trank. Sie überkam das Bedürfnis, genau diese Stelle zu küssen, aber sie tat es nicht. Er setzte die Flasche auf der Stufe neben sich ab. Während Babel die Hündin beobachtete, die durch den Garten rannte, sah sie aus den Augenwinkeln, wie er sie nachdenklich betrachtete.
Auf einmal griff er nach ihrem Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. Sein Ausdruck wurde grimmig, und das Grün seiner Augen schien sich zu verdunkeln. »Was ist mit deiner Wange? Ist es das, für das ich es halte?«
»Na, ich bin sicher nicht die Treppe runtergefallen.«
Seine andere Hand ballte sich zur Faust. Sie legte ihre eigene Hand darüber und gab sich alle Mühe, zuversichtlich zu lächeln, wobei sich ihre Wange schmerzhaft verzog.
»Wunderst du dich da noch, dass wir den Hexen skeptisch gegenüberstehen?«, fragte er.
»Willst du mir erzählen, dass ihr euch nie schlagt?«
»Das ist was
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