Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Politiker, ein paar Faschos und ein Baulöwe, dessen Name ihr aus der Zeitung bekannt war. Mit seiner aggressiven Aufkaufpolitik durch überregionale Investoren hatte er sich in der Stadt nicht nur Freunde gemacht.
Ihr Blick wanderte weiter und stieß auf einen bekannten Namen.
Erbost schaute sie auf. »Was soll das?«
»Es gibt Gründe, warum dieser Name dort steht, Babel.« Seine Stimme klang unnachgiebig, und wütend erhob sie sich zum zweiten Mal.
»Ich lass mich nicht manipulieren.«
Versehentlich musste sie die Hündin unterm Tisch getreten haben, denn Urd hob den Kopf und verteilte den Sabber noch weiträumiger über den Boden. Mühsam richtete sich das Tier auf und trottete aus seinem Versteck. Es blinzelte sie der Reihe nach an, bellte einmal und verzog sich dann in den Schlafbereich. Babel atmete weiter. Der Hund von Baskerville verspürte offenbar noch keinen Hunger.
Tom hob beruhigend die Hände, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Wenn du glaubst, du kannst mich dazu benutzen, mit ihm eine Rechnung zu begleichen, hast du dich getäuscht.«
Dass sich Sams Name auf dieser Liste fand, war sicher kein Zufall. Die Plags hatten gut recherchiert, und die Stadt war schlichtweg zu klein, um ein Dämonenkind zu übersehen. Sie glaubte auch keine Minute daran, dass Sam nicht dafür gesorgt hatte, dass alle Plags von seiner Anwesenheit wussten. Wahrscheinlich hatte er sie mehr als nur einmal provoziert.
Seine tiefe Abneigung gegen die Plags kannte Babel nur zu gut. Sie war irrational und fand ihre Wurzeln in der Tatsache, dass den Naturgeistern gelungen war, was die Dämonen allein nicht schafften: in der menschlichen Dimension Fleisch zu werden. Obwohl Sam kein reiner Dämon war und einen Körper besaß, so teilte er doch die instinktive Abneigung, die jeder Dämon gegen Albennachkommen verspürte.
Aber reichte diese Abneigung dazu, sich die Plags vorzunehmen? War sie in den Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten, so stark gewachsen, dass er Jagd auf sie machte?
Babel hätte gern behauptet, dass sie es bezweifelte, aber wenn es um Sam ging, war es besser, erst einmal das Schlechteste anzunehmen. Schließlich wusste sie nur zu gut, wozu er fähig war, wenn er in Rage geriet. Außerdem wäre es nicht die erste Auseinandersetzung zwischen Plags und einem Dämonenkind. In den Zeitungen las man immer wieder von plötzlichen Messerstechereien, deren Ursachen sich niemand erklären konnte, obwohl Eingeweihte den Grund dafür sehr gut kannten. Die Tatsache, dass beide Gruppen ihre wahre Identität vor den Menschen verbargen, konnte die Unterschiede zwischen ihnen jedoch nicht überwinden. In diesem Fall galt eben nicht: Der Feind meines Feindes ist mein Freund .
Seit Sam vor zwei Jahren ebenfalls in diese Stadt gezogen war, hatte er sich nicht bei ihr blicken lassen. Aber das hieß gar nichts. Seine Briefe hatten sie zu jedem Geburtstag erreicht, ganz gleich, wo sie gewohnt hatte. Es war seine Art, ihr zu sagen: Siehst du, ich habe dich nicht vergessen . Glaubten die Plags wirklich, sie würde nach vier Jahren auf seiner Türschwelle auftauchen und fragen: He, wie geht’s so? Ach, und sag mal, hast du zufällig in letzter Zeit jemanden umgebracht? Das war nicht unbedingt ein guter Einstieg in ein Gespräch – falls sie überhaupt den Mund aufbekam.
Vielleicht irrte sie sich aber auch, und es würde ihr gar nicht mehr so viel ausmachen, ihn zu sehen. Vielleicht würden ihre Hände ja nicht mehr zittern, und sie könnte endlich aufhören, Stadtteile zu meiden, in denen er sich herumtrieb. Doch wollte sie das wirklich herausfinden?
»Hilf uns, Babel! Du hast die Fähigkeiten dazu. Die Polizei nicht.« Eindringlich sah Tom sie an. Das Grün seiner Augen wurde dunkler, und es war ihr unmöglich wegzusehen. »Es kann dir doch nicht gleichgültig sein, ob hier ein Mörder frei rumläuft. Das sind nicht nur Opfer in irgendeiner Statistik oder Statisten in einem Film. Diese Leute hatten Familie, Menschen, denen etwas an ihnen lag. Du kannst dir nicht vorstellen, welchen Schmerz dieser Mörder über uns gebracht hat …« Seine Stimme brach, er musste sich räuspern. »In ein paar Wochen wird die Trauer diesen Ort hier ertränken. Schon jetzt riecht für uns alles nach Verfall.«
Das war es also gewesen, was sie beim Betreten des Grundstücks gespürt hatte: die Verschiebung der Energien. Die Trauer überdeckte alles andere. Sie war wie ein Nebel, der alles verschlang und in dem man sich nicht mehr
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