Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
steckst du noch das Haus in Brand!
Nach dem Klicken der alten Kaffeemaschine nahm der Morgen endlich eine freundlichere Wendung. Mit einer vollen Tasse in der Hand stellte sich Babel an die Spüle und schaute hinaus in den Garten. Die Luft roch nach feuchter Erde und Flieder, der sich in Büschen gegen die Hauswand drückte. Der Himmel war schon wieder grau, aber an diesem Morgen war das angenehm für die Augen.
Babels Haus lag im ältesten Teil der Stadt, in der Nähe des Flusses, daher roch es im Halbdunkel des langen, schmalen Flurs, von dem die Türen zur Küche und zum Wohnzimmer abgingen, stets ein wenig nach feuchtem Holz und Lehm. Eine Treppe führte jeweils in den Keller und das Obergeschoss, und auf der Garderobe lag eine feine Staubschicht. Das Haus war alt. Der Garten war auf drei Seiten von einer Backsteinmauer umgeben, nur die Vorderseite zur Straße besaß einen mannshohen Eisenzaun. Seit Jahren erkämpfte sich das Unkraut Meter für Meter Raum und blühte dankbar in den wunderbarsten Blau- und Rottönen. Die Plags würden sich wohlfühlen , dachte sie. In der hinteren Ecke des Gartens hatte sie Kräuterbeete angelegt, die sie für Tränke brauchte, außerdem einen einzelnen Tomatenstrauch. Der stammte noch aus der Phase, in der sie geglaubt hatte, sie wäre eine gute Gärtnerin, nur weil sie jetzt ein Haus besaß. Was nicht der Fall war.
Lange wohnte sie noch nicht hier – erst vor einem Jahr hatte das Geschäft mit Karl ihr erlaubt, die Anzahlung auf das Haus zu leisten. Es lag verborgen in einer kleinen Seitenstraße und wurde von den meisten Menschen ignoriert. Es war nicht so, dass sie es übersahen, vielmehr dachten sie nicht darüber nach. Kaum waren sie daran vorübergegangen, vergaßen sie die Fenstergitter im Erdgeschoss und die große, grün gestrichene Eichentür mit dem geschnitzten Bärenrelief in der Mitte, in dessen Maul ein Türklopfer steckte. Das lag an dem Zauber, der das Haus schützte. Und gegen all jene, die den Zauber durchschauten und womöglich auf dumme Gedanken kamen, hatte Babel eine Alarmanlage einbauen lassen. Immerhin hatte sie es im Laufe der letzten Jahre geschafft, den einen oder anderen gegen sich aufzubringen. Meistens die Leute, mit denen ihre Klienten im Clinch lagen.
Damals beim Kauf hatte ihr der Makler einreden wollen, das Haus hätte zur Zeit der Napoleonischen Kriege einem ranghohen Offizier als Quartier gedient. Dafür ließen sich jedoch keine Beweise finden. Stattdessen entdeckte sie beim Umbau des Kellers für ihre Zwecke einen toten Hund im Gemäuer. Offenbar war sie nicht die erste Hexe in diesen Mauern. Den Hund hatte sie während eines Rituals im Garten unter dem Apfelbaum begraben, das dieses Grundstück als ihr Territorium markierte. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger benutzte Babel dazu jedoch ihr eigenes Blut, weil es wirksamer war und sie schon seit Jahren keine Tieropfer mehr durchführte.
Allerdings führte sie die Taube, die noch immer ohne Unterlass gurrte, an diesem Morgen in Versuchung, wieder damit anzufangen.
Um dem Krach zu entgehen, verließ Babel mit der zweiten Tasse Kaffee die Küche und stieg hinunter in den Keller, der durch ein zusätzliches Schloss gesichert war. Auf die massive Eichentür hatte sie mit Ölfarbe einen roten Smiley gemalt, von dem ein zitterndes Flimmern ausging. In das Bild war ein Zauber eingebunden, der jedem die Luft abschnüren würde, der sich unbefugt Zutritt zum Keller verschaffen wollte. Die Energie des Zaubers sandte ein Kribbeln durch ihre Arme, das sich anfühlte wie eingeschlafene Gliedmaßen.
Sie öffnete die Tür, und der Geruch nach feuchtem Putz schlug ihr entgegen, vermischt mit der Note einer Duftkerze vom letzten Ritual. Sie tastete nach dem Schalter und flutete den Keller mit grellem gelbem Licht.
Der Keller war in zwei Räume geteilt. Der erste sah ziemlich genau aus wie die Keller in anderen Haushalten auch. An den Wänden stapelten sich Kisten mit Dingen, die nach dem Umzug nie ausgeräumt worden waren. Erinnerungsstücke, alte Dokumente, verrostete Gartengeräte und auseinanderfallende Weihnachtsdekoration. Eben die Art von Kisten, bei deren Anblick man unwillkürlich ein schlechtes Gewissen verspürt, weil man sich schon längst um deren Entsorgung hatte kümmern wollen.
Mit großen Schritten durchquerte Babel den Raum. Leider erwischte sie das schlechte Gewissen trotzdem.
Der zweite Raum war mit einer weiteren Tür und einem weiteren Zauber gesichert. Dahinter lag ihr
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