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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Sessel und drückte den Wäscheknüppel gegen seine Brust.
    »Hinüber sind sie!« schrie Babkin durch die Tür. »Zwei silberne Gefäße!«
    »Gott sei bei dir!« brüllte Waninow zurück.
    »Jetzt kommt ein Leuchter dran!«
    »Der nächste Blitz wird dich treffen!«
    Es klirrte laut, dann folgte ein schwerer Fall. Waninows Gesicht begann zu zucken.
    »Zwei Leuchter vom Altar!« rief Babkin triumphierend. Dabei erzeugte er das Klirren nur mit zwei blechernen Tellern, die er hinter dem Altar gefunden hatte und auf denen durchziehenden Wandersleuten ein mildtätiges Essen gereicht wurde. Und der schwere Fall war auch ein übler Trick: Babkin ließ sich selbst auf den Boden fallen. »Kommst du heraus, Waninow?«
    »Nein!«
    »Wohlan … dann schlagen wir das Osterkreuz gegen die Wand.«
    »Rühr es nicht an!« schrie Waninow in heller Verzweiflung. »Ein Geschenk des Patriarchen von Perm ist es!«
    »Was kümmert's einen Verzweifelten, Sidor Andrejewitsch? Her mit dem Osterkreuz!«
    Wieder klirrte es schaurig, und Waninow verdrehte die Augen, sank in sich zusammen und bebte.
    Die ganze Kirche wird er demolieren – Ständer, Weihgefäße, Möbel, Ikonen. Wie die Tataren wird er hausen, schlimmer noch als die Bolschewisten zur Zeit der ersten Revolutionsjahre; die rote Soldateska war ein gemütlicher Männerverein gegen ihn! Sidor Andrejewitsch, kannst du das mit anhören, wie Babkin Stück um Stück zertrümmert?
    »Was ist denn das?« hörte er Babkin durch die Tür rufen. »Eine hölzerne bemalte Figur! Maria mit dem Kindchen im Arm. Welch ein leichtes Holz! Ist es Linde, Väterchen? An der Wand wird's in tausend Teile auseinanderspritzen …«
    »Rühr nicht die Heilige Mutter an!« brüllte Waninow. »Abfaulen werden dir die Hände!«
    »Kommst du raus zur Beichte, Waninow?«
    »Stell die Figur zurück!«
    »Eine Idee kommt mir. Man kann mit der Holzfigur die Ikonen zerschlagen. Oder besser noch – ich nehme das Bronzekreuz. Mein Kreuz, das ich gestiftet habe. Ha, wie ein Hammer wird es sein, wie eine Axt … jeder Schlag eine Ikone. Jubeln wird mein armes Herz!«
    »Nie wird Gott dir mehr verzeihen, nie!« Waninows dröhnende Stimme war gebrochen. Im Sessel hing er wie eine Masse Fleisch ohne Knochen und stöhnte vor sich hin. Als Babkin wieder gegen die Tür trat, verdrehte der Pope die Augen.
    »Machst du die Tür auf, Väterchen?« fragte Babkin in höflichem Ton.
    Waninow erhob sich ächzend aus seinem Sessel, kniete vor dem Kruzifix in der Ecke seines Zimmers nieder, betete um Beistand und vor allem Mut und zuckte schmerzvoll zusammen, als aus der Kirche neuer Zerstörungslärm hereindrang.
    »Ich komme, Babkin!« brüllte er und sprang auf. »Halt ein mit deinem Frevel! Die ewige Verdammnis ist dir sicher!«
    Babkin antwortete nicht. Jetzt stellt er sich auf, dachte Waninow, und es lief ihm eiskalt über den Rücken. Steht da und wartet, bis ich herauskomme. Was wird er in der Hand haben? Auch einen Knüppel? Wagt er es tatsächlich, einen Priester in seiner Kirche zu erschlagen? Vor den Augen Gottes? Vor dem Bild der Heiligen Mutter? Unter dem Blick aller Heiligen von der Ikonostase?
    In welch einer Zeit leben wir nur! Nichts ist mehr heilig. Verprügeln darf man einen Mann wie mich, der geweiht ist. Nun gut, ich habe Walentina geschwängert, ein kräftiger Bub ist's geworden, zugeben mußt du das, Babkin, mein lieber Wadim Igorowitsch, auch ein Pope besteht aus Fleisch und Blut. Ein Mensch ist er wie du, und jeder von uns stolpert einmal über einen Stein, ist's nicht so? Wo kämen wir hin, wenn jedem, der einmal Unrecht tut, der Schädel eingeschlagen wird? Ausgerottet wäre die Menschheit im Nu, nichts lebte mehr … Darüber kann man doch mal in Ruhe sprechen, mein lieber Babkin.
    Mit zittrigen Händen räumte Waninow die Kommode von der Tür, schloß sie auf, schob die drei Riegel zur Seite, stieß die Pforte auf und betrat wehrlos, die Hände über der Brust gefaltet, die Kirche. Ein Märtyrer, dem Ulorjansk einmal ein Denkmal setzen würde.
    »Hier bin ich, Wadim Igorowitsch«, sagte Waninow dumpf. »Bediene dich … Im voraus seien dir alle Sünden an mir vergeben.«
    Aber siehe da – kein Schlag erfolgte, niemand stürzte sich auf ihn …
    Feierliche Stille lag über dem Kirchenschiff. Die Kerzen brannten, das ewige Licht, und nichts war zerstört: kein Weihrauchbecken, kein Ständer, keine Maria, keine Ikone, kein Kreuz. Es war, als habe hier nie ein Babkin gewütet.
    Aber Wunder gibt es

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